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Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen

Titel: Was können wir wissen? - Philosophische Grundfragen
Autoren: Norbert Hoerster
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Einleitung
    Im Alltag geht jeder ohne weiteres davon aus, dass er selbst und seine Mitmenschen Wissen besitzen. So würden wir ohne weiteres behaupten, dass wir wissen, dass 2 + 1 = 3 ist, oder dass sich in unserer Wohnung ein Bett befindet, oder dass Menschen manchmal Schmerzen haben, oder dass New York in Amerika liegt, oder dass auch morgen die Sonne aufgehen wird.
    Welche Voraussetzungen aber müssen erfüllt sein, dass wir auch
mit Recht
behaupten können, dass jemand ein bestimmtes Wissen besitzt? Zeigt sich vielleicht bei genauerer Betrachtung, dass wir dies
niemals
mit Recht behaupten können? Müssen wir deshalb vielleicht jenen radikalen Skeptikern zustimmen, die meinen, dass es wirkliches Wissen gar nicht gibt? Diese grundsätzliche Frage steht im Mittelpunkt von Kapitel 1.
    Das Wissen, auf das wir gewöhnlich Anspruch erheben, bezieht sich auf Gegenstände in sehr unterschiedlichen Bereichen. Die wichtigsten dieser Bereiche werden in den nachfolgenden Kapiteln vorgestellt, und es wird geprüft, ob und inwieweit die Gegenstände dieser Bereiche unserem Wissen wirklich zugänglich sind. Während wir im Alltag keine Zweifel haben, dass in den Bereichen der Kapitel 2 bis 4 Wissenmöglich ist, trifft dies auf die Bereiche der Kapitel 5 und 6 weniger zu. Möglicherweise ist hier ein größeres Maß an Skepsis angebracht.
    Wenn es in Kapitel 2 um «logisches Denken» geht, so soll darunter nicht nur das Schließen der formalen Logik verstanden werden, sondern jedes Schließen oder Folgern, das auf nichts anderem als auf der Bedeutung beruht, die wir mit unseren sprachlichen Ausdrücken verbinden. Das Wissen, das sich einem solchen Schließen verdankt, wird häufig auch als «analytisches» Wissen bezeichnet.
    In Kapitel 3 geht es um das empirische Wissen oder Erfahrungswissen, das auf der Wahrnehmung unserer Sinne beruht. Hier stellt sich sowohl die grundsätzliche Frage, ob und unter welchen Bedingungen wir unseren Sinneswahrnehmungen überhaupt vertrauen können, als auch die weitere Frage, welche Reichweite dieses mögliche Erfahrungswissen besitzt.
    In Kapitel 4 steht mit dem sogenannten Induktionsproblem eine der umstrittensten Fragen der neuzeitlichen Erkenntnistheorie auf dem Prüfstand: Liefert uns die empirische Erfahrung über vergangene Ereignisse einen hinreichenden Grund, ähnliche Ereignisse in der Zukunft zu erwarten?
    Die Fragestellung von Kapitel 5 ist für die menschliche Lebenspraxis insofern von großer Bedeutung, als es hier nicht nur um die persönlichen Werte im Leben des Einzelnen, sondern auch um die moralischen Werte im sozialen Zusammenleben geht. Wenn unser Wissen auf den Inhalt dieser Werte keinen Einfluss haben könnte, so wäre dies offenbar ein sehr betrübliches Ergebnis.
    Was die Fragestellung von Kapitel 6 betrifft, so gehen die Meinungen besonders weit auseinander. Während manche Menschen nicht einmal eine Vereinbarkeit von religiösem Glauben und Wissen für möglich halten, sind andere der Meinung, dass ein religiöser Glaube sich sogar auf unser Wissen gründen lässt. Kommt es hier vielleicht darauf an,
welche
Religion zur Debatte steht?
    Die sechs genannten Themen werden im Folgenden allgemein verständlich und rein sachbezogen erörtert. Unter «Wissen» wird durchgängig jenes Alltagswissen verstanden, das im Prinzip jeder haben kann. Nicht behandelt werden deshalb die speziellen Fragen der sogenannten Wissenschaftstheorie.
    Für wertvolle Kritik danke ich meinem Freund Lothar Fritze.

1. Unter welchen Voraussetzungen wissen wir etwas?
    Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit man mit gutem Grund sagen kann, dass ich von einem bestimmten Sachverhalt weiß oder Wissen besitze? Die erste notwendige Voraussetzung, die unmittelbar einleuchtet, ist die, dass ich den Sachverhalt als gegeben annehme, dass ich von dem Satz, der ihn beschreibt, überzeugt bin, dass ich an seine Wahrheit glaube.
Ohne Glauben kein Wissen!
    Ein einfaches Beispiel: Angenommen, ich besitze
nicht
den Glauben oder die Überzeugung, dass der Montblanc in Europa liegt. Vielleicht glaube ich, der Montblanc liegt in Tibet; oder vielleicht besitze ich überhaupt keinen Glauben über den Montblanc, da ich nicht einmal das Wort «Montblanc» kenne. Im einen wie im anderen Fall
weiß
ich offensichtlich nicht, dass der Montblanc in Europa liegt, obschon es tatsächlich ja zutrifft, dass der Montblanc in Europa liegt.
    Die zweite Wissensvoraussetzung, die ebenfalls unmittelbar einleuchtet, lautet,
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