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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Jack, der Ponka
     
    Der Südweststurm fegte Sand und Schnee über die Prärien nördlich des Niobrara. Es war erst Nachmittag, aber der von treibenden Schneewolken verhangene Himmel ließ das Sonnenlicht kaum durch, und es dunkelte früh. Die Sicht war behindert.
    Meter um Meter kämpfte sich die Gruppe der drei Dragoner mit ihrem geländekundigen Führer vorwärts. Die Schneekristalle setzten sich an die Haut, der Sand drang in die Augen. Der Sturm drohte, zum Orkan zu werden und jedes Weiterkommen zu verhindern. Eine heftige Bö brachte die Gruppe zum Halten.
    »Mord und Verdammnis!« Der eine der Dragoner schrie es hinaus, um sich beim Heulen und Fauchen des Sturmes dem Führer überhaupt verständlich zu machen.
    »Wir müßten schon da sein!«
    Der Scout brüllte zurück. »Keine hundert Meter sind wir von der Furt, ihr hinkenden Buntröcke mit euren stelzbeinigen Schindermähren! Vorwärts, sage ich!« Er gab dem eigenen Tier die Sporen und trieb es weiter südwestwärts gegen Sturm, Flockenwirbel und Sandwehen. Die drei Uniformierten folgten. Ihre Pferde schwitzten trotz der Kälte. Sie waren erschöpft von tagelanger Anstrengung.
    Die Stimmung hob sich, als die vier Reiter den Ausblick auf ein breites sandiges Flußbett gewannen. Sie befanden sich am Nordufer. Jenseits des Flusses, am Südufer, waren zwischen Sand- und Schneeverwehungen die Umrisse von Holzbauten zu erkennen.
    »… Teufel! Sind wir da?«
    »Jaa – aa!« Der Führer im Lederanzug jauchzte die Antwort hinaus. Er hatte mehr Angst gehabt, als er den Dragonern hatte eingestehen wollen. »Der Niobrara und das Fort! Wir sind da!«
    Die Sporen wurden wieder gebraucht, und die Reitpeitschen klatschten. Die Pferde stapften dem Sturm entgegen quer über die Sandbänke. Sie wateten durch das schnell fließende Wasser und kletterten den Hang am Südufer des Flusses hinauf bis zu den Palisaden. Ein Wachtturm und die Giebel zweier Blockhäuser ragten über den Palisadenring auf. Vom Turm erklang ein scharfer Pfiff, mit dem der Posten die Herankommenden anmeldete.Die Reitergruppe erreichte das Tor, das in die Westseite des Palisadenrings eingelassen war. Schon knarrten die Flügel in den Angeln. Die Ankömmlinge ritten ein und machten im Hof der vorgeschobenen Grenzstation halt. Die Dragoner und ihr Scout stiegen ab. Drei Männer in Lederkleidung kamen herbei, barhäuptig, mit faltigen, mageren Gesichtern. Auch in den Hof innerhalb der Palisaden stäubten Sand und Schnee, so daß alle die Augen zuzwickten und einander im dämmrigen Licht nur undeutlich erkennen konnten. Die Ankömmlinge und diejenigen, die sie zunächst in Empfang nahmen, versicherten einander einleitend, daß alles verdammt sei: die Gegend, der Sturm, der Sand, der Schnee sowie die gesamte Situation, in der man sich befinde. Als festgestellt war, daß hierüber volle Einigkeit herrschte, wurden die Pferde in eine Koppel innerhalb der Palisaden gegeben. Den Scout und die Dragoner brachte man zu dem größeren der beiden Blockhäuser. Es war ein alter langgestreckter, niedriger Bau, ohne Fenster, nur mit Schießscharten versehen. Die schwere Eichentür befand sich an der östlichen Breitseite. Die Balken waren geteert, das Haus wirkte dadurch noch dunkler. Im Innerndieses Hauses vereinte sich alles, was die an Zahl geringe Besatzung der Grenzstation benötigte: Eßvorräte, Decken, Holztische, Wandbänke und ein steinerner Herd, auf dem ein Feuer flackerte. Pitt, der Scout, löste den Riemen und nahm den breitkrempigen Hut vom Kopf.
    Die drei Dragoner meldeten sich bei der Truppe der Blockhausstation, für die die Bezeichnung Fort recht hochtrabend wirkte. Pitt begab sich zu seinesgleichen, zu den Rauhreitern, die für Sold an der Grenze dienten. Von einem dieser Männer wurde er sofort erkannt und laut begrüßt: »Pitt mit der Stummelnase! Mann! Was suchst du bei uns in der Wildnis! Warst du nicht weit hinten am gelobten Missouri auf Fort Randall?!«
    Pitt stampfte, spuckte aus, wischte mit dem Handrücken wäßrigen Schleim von den Nasenlöchern und ließ sich auf die Wandbank an der linken Schmalseite des Hauses fallen. »Wo hast du den Brandy, Bill, du alter Knabe?«
    Ein lautes spöttisches Gelächter war die Antwort.
    »Was? Nicht einmal Brandy? Ich zahle!« Pitt war kein Säufer, aber doch ein kleiner Verschwender, wenn es um Whisky ging. Er fingerte aus einer seiner vielen Taschen ein Geldstück heraus. »Spar dir deine Münzen! Die helfen dir hier nichts. Wir haben auch den
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