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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd
Autoren: Ursula Neeb
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bemerkt.
    „Na, da kommt ja die Rumtreiberin endlich. War scharwenzeln auf dem Galgenfest, anstatt dass sie einem zur Hand geht. Haben dich doch vorhin gesehen mit dem Scharlatan, dem faulen Schönredner, wie du am Poussieren warst. Sind gerade mit unsrer Fuhre vorbeigekommen am Galgenfest. Während alles sich verlustiert, muss sich unsereins abplagen. Sind auch noch von so einem Köter gebissen worden, bluten wie eine Sau * . So, jetzt helf uns mal gefälligst, sauber die Wunde und verbind sie. Dann versorgst du den Esel und machst endlich das Essen fertig, du fauler Fratz“, schnauzt er ihr aufgebracht entgegen.
    „Ist recht, Vadder, ich such schon mal alles zusammen.“
    Mäu eilt in die Wohnhütte. Dort sucht sie das Verbandzeug zusammen, nimmt eine kleine, verkorkte Flasche vom Wandregal und läuft zum Brunnen hinter dem Haus, um Wasser zu schöpfen.
    „Kannst reinkommen, Vadder, ich hab alles bereit“, ruft sie über den Hof.
    Der Abdecker betritt die Stube und lässt sich auf einen Hocker sinken. Routiniert säubert Mäu die Wunde und betupft sie mit der bräunlichen Tinktur, die der Henker ihnen gegeben hat. Es ist nicht das erste Mal, dass der Vater beim Hundeschlagen von einem Hund gebissen worden ist. An Armen und Beinen hat er zahlreiche Narben von alten Bisswunden.
    „Wie viele hast du denn heute geschlagen?“, fragt sie, während sie den Verband anlegt.
    „Ach, sind bloß fünf. Das sind zehn Heller und fünf Felle. Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig, wie man’s kennt“, grummelt der Abdecker ärgerlich. „Wer weiß schon, was das für eine Schinderei ist und außerdem noch gefährlich. Eines Tages geht einem so ein Köter noch an die Gurgel, das seh ich kommen. Jetzt muss man wieder Angst haben, dass man die Hundswut kriegt. Das fehlt uns noch zu unserem Glück! Als der Herrgott das Unglück verteilt hat, ham wir zu laut ,hier’ gebrüllt. Vor zwei Jahren waren es die Blattern, bis man am Aussatz erkrankt wird auch nicht mehr lange dauern, warum nicht zwischendurch die Hundswut? Es gäb genug Leut, die wir beißen täten“, lacht er grimmig. „So, jetzt wollen wir erst mal die verdammte Kluft hier ausziehen. Da drin schwitzt man nämlich wie ein Brunnenputzer. Die muss gewaschen und geflickt werden.“
    Edu steht auf und geht zum Schuppen, wo er sich entkleidet und einen weiten, braunen Arbeitskittel überzieht. Die blutige, dunkelgraue Kleidung klemmt er unter den Arm und legt den spitzen, roten Hut über einen Hocker. Es ist seine Arbeitstracht, die er in der Öffentlichkeit zur Kenntlichmachung tragen muss, damit nicht unbescholtene, ehrliche Leute aus Unwissenheit an ihn geraten, denn der Schinder gilt seiner Umgebung als derart unrein, dass selbst die bloße Berührung den sozialen Abstieg für jeden bedeuten würde. Wer einem Abdecker die Hand reicht, mit ihm zusammen spaziert oder gar mit ihm isst und trinkt, ja selbst wer die Utensilien des Hundshäuters anfasst oder seinen Esel streichelt, wird dadurch selber „unehrlich“ und ist laut Zunftordnung des Handwerks nicht mehr fähig. Viele Leute, besonders Standespersonen, ziehen es vor, von ihm als dem „ungenannten Mann“ zu sprechen, um sich mit seiner Benennung nicht unnötig den Mund zu beschmutzen. Für das Volk ist er einfach der „Schundmummel“, der alle Drecksarbeiten machen muss, die sonst keiner machen will.
    Der Abdecker tritt auf den Hof und übergibt Mäu die blutigen Kleidungsstücke.
    „Hier, das kann schon mal eingeweicht werden. Aber bloß nicht zusammen mit der Siechenwäsch und sag das auch gefälligst deiner Mutter.“
    Edu läuft der Schweiß in Strömen über die vernarbte Stirn. Er wirkt müde und erschöpft an diesem heißen Augusttag. Mit 35 Jahren ist er früh gealtert, sieht aus wie ein 50-Jähriger, so welk und eingefallen ist sein Gesicht mit dem fast zahnlosen Mund.
    Ein richtiges Ohrfeigengesicht hat er, denkt Mäu mit einem Anflug von Mitleid. Aber er ist halt auch ein rechter Quälgeist, der sie striezt, wo er kann.
    Tut sie ihm denn jemals Leid, wenn er sie den lieben langen Tag nur herumkommandiert? Mitleid beansprucht er doch nur für sich. Sein Gejammere und die ewige Missmutigkeit gehen ihr meistens ganz schön auf die Nerven, zuweilen belustigen sie sie aber auch. Dann muss sie sich zusammennehmen, um nicht laut und närrisch loszulachen – was mit Sicherheit Schläge setzen würde.
    Mit einem Schubkarren transportiert der Abdecker die toten Hunde unter das Vordach eines
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