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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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1. Kapitel
    Fünf Jahre später
    Cornwall, 1508
    Durch
eine gnädige Fügung
– oder Grausamkeit – des Schicksals war es ausgerechnet Melissande Bradgate
(die sich Schwester Pieta nennen wollte, falls man ihr je gestatten sollte,
das letzte, endgültige Gelübde abzulegen), die Christian Lithwell ohnmächtig,
blutend und verwundet vor dem Tor der Abtei St. Bede's entdeckte. Es war eine
kalte, regnerische Nacht, obschon es bereits Mitte Juni war, und Melissande war
auf Wunsch der Äbtissin mit Brot und Käse für die hungrigen Bettler oder
Reisenden hinausgegangen, die so häufig draußen vor den Klostermauern um eine
milde Gabe baten.
    Es war
jedoch niemand da außer dem Mann, der leblos auf den nassen Pflastersteinen
lag, durchnäßt von Blut und Regen, schmutzbedeckt, als ob er wie Lazarus
bereits einmal bestattet worden und wieder aus seinem Grabe auferstanden wäre.
Melissande erkannte ihn augenblicklich. Mit einem leisen Schrei ließ sie den
Korb fallen und sank neben dem Verwundeten auf die Knie.
    Sanft nahm
sie seine Hand in ihre und drückte sie, um ihn dazu zu bringen, die Augen zu
öffnen.
    Seine
Ohnmacht war jedoch so tief, daß er kaum noch Lebenszeichen von sich gab.
    Von Panik
übermannt, hätte Melissande fast ihr Schweigegelübde – das nichts als ein
verzweifelter Versuch war, die Äbtissin davon zu überzeugen, daß sie eine gute
Nonne sein würde – gebrochen und gellend aufgeschrien. Statt dessen jedoch
strich sie das strähnige blonde Haar aus dem geliebten Gesicht zurück, flehte
Christian in Gedanken an, am Leben festzuhalten, und stürzte zurück durchs Tor
ins Kloster. Auf dem großen Innenhof ergriff sie das dicke Tau der Warnglocke
und zog daran – einmal, zweimal, dreimal.
    Die Nonnen
von St. Bede's, die ihrer hervorragenden Befähigungen wegen als Eliteorden
galten, strömten aus der Kapelle, aus dem Hospital, dem Speisesaal und den
verschiedenen großen Kammern, in denen einige von ihnen lange, erschöpfende
Stunden damit verbrachten, Abschriften von der Heiligen Schrift und auch von
weltlichen Manuskripten anzufertigen und sie dann mit Illustrationen zu
versehen. Die Äbtissin, Mutter Erylis, war die erste, die im Hof erschien.
    »Was ist,
mein Kind?« fragte sie streng, aber nicht unfreundlich.
    Melissande,
deren Ordenstracht und Haube inzwischen vollkommen durchnäßt waren, ließ das
Glockenseil, an dem sie im wahrsten Sinne des Wortes mit beiden Händen
gehangen hatte, los und deutete auf das Tor, bevor sie sich abwandte und wieder
nach draußen hastete. Mutter Erylis und alle anderen Nonnen folgten ihr.
    Ein Chor
entsetzter Ausrufe erhob sich, als sie den Schauplatz erreichten, und die
Äbtissin kniete neben dem großen reglosen Mann auf den Boden nieder und tastete
vorsichtig nach dem Puls an seiner Kehle. »Es ist noch Leben in ihm«, sagte
sie, als sie den Blick zu Melissandes flehendem Gesicht erhob. »Aber ich weiß
nicht, wie lange noch.« Damit richtete Mutter Erylis sich auf, klatschte in die
Hände und begann Befehle zu erteilen. »Bringt sofort eine Bahre her! Jemand
soll Wasser erhitzen, saubere Tücher bereitlegen und ein Huhn für eine kräftige
Brühe kochen.«
    Schwester
Elisabeth, die recht gut reiten konnte, erhielt den Auftrag, Butterpat, dem
kleinen braunen Esel der Abtei, ein Halfter anzulegen und die fünf Meilen zur
Pfarrei St. Paul's zu reiten, um Bruder Nodger zu holen. Der Mönch war bekannt
für seine Heilkünste, doch wenn er zu solch später Stunde und in einer derart
kalten Nacht nach St. Bede's gerufen wurde, dann nur, weil er männlichen
Geschlechts und deshalb besser geeignet als die Nonnen war, die Wunden eines
Mannes zu versorgen.
    Beide Hände
vor den Mund gepreßt, um nicht zu schreien, verfolgte Melissande, wie der
Verwundete auf eine Bahre gehoben und von vier Schwestern ins Hospital getragen
wurde.
    Christian, schrie sie
innerlich, während sie hinter der Bahre herstolperte. 0 Christian! Sie
sagten, ihr wärt tot, ihr alle – Queech, Lord James, mein Vater und meine
Stiefmutter, und ich glaubte ihnen. Der Himmel ist mein Zeuge, daß ich ihnen
glaubte.
    In der
Krankenstation des Klosters wurden Lampen angezündet und ein Feuer im Kamin, um
die feuchte Kälte des uralten Gemäuers zu vertreiben. Christian wurde auf ein
Bett gelegt und Melissande, die inzwischen zitterte vor Kälte, sanft aus dem
Weg geschoben, damit der Verwundete versorgt werden konnte, wenn auch zunächst
nur oberflächlich.
    Seine
Verletzungen, zumindest jene, die
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