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Die Schwarze Festung

Die Schwarze Festung

Titel: Die Schwarze Festung
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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daß der Moroni Kias vor allen anderen an Bord gegangen war. Aber in ein paar Augenblicken, sobald sich die Tür hinter ihrem Rücken öffnete, würden sie ihn sehen, und Charity wagte sich nicht einmal vorzustellen, was dann geschah. Diese Menschen waren in einer Welt aufgewachsen, deren ganze Existenz von der Furcht vor einem einzigen, übermächtigen Feind bestimmt wurde – und sie sollte ihnen jetzt mit ein paar Sätzen erklären, daß der Moroni dort oben in der Zentrale des Schiffes nicht nur nicht ihr Feind, sondern ihr Verbündeter war? Lächerlich! »Wir sollten irgend etwas tun«, sagte Skudder neben ihr. Er sprach sehr leise, und Charity drehte rasch genug den Kopf, um zu sehen, daß er sich Mühe gab, nicht einmal die Lippen zu bewegen, während er sprach. Offensichtlich spürte er die Spannung, die sich unter den Shuttlebewohnem ausgebreitet hatte, ebenso wie sie. Sie deutete ein Nicken an, wies dann vorsichtig auf die Tür hinter sich und flüsterte: »Versuch mich irgendwie abzuschirmen. Sie dürfen ihn nicht sehen.« Skudder sah sie verwirrt an und verstand offensichtlich kein Wort, aber Charity verschwendete keine Zeit mit Erklärungen, sondern wandte sich mit lauter, erzwungener, ruhiger Stimme an Stark: »Das Schlimmste hätten wir hinter uns«, sagte sie. Sie war selbst ein wenig erstaunt, wie leicht ihr die Lüge von den Lippen ging. »Meine Freunde und ich müssen noch eine Kleinigkeit dort drinnen erledigen. Ich ... weiß, wie unbequem es für Sie sein muß – aber könnten Sie noch wenige Minuten hier warten?« Stark starrte sie an. Sein Gesicht war unbewegt, aber sein Blick machte klar, daß er wußte, welche Kleinigkeit Charity meinte. Er nickte. Charity konnte erkennen, welche Überwindung ihn diese winzige Bewegung kostete. »Gut«, sagte sie. »Es dauert nicht lange. Fünf oder sechs Minuten.« Rasch, bevor sie irgend etwas Falsches sagen oder tun konnte, drehte sie sich herum, betätigte den Öffnungsknopf und schlüpfte durch die Tür, kaum daß der Spalt breit genug war. Skudder, Stone und schließlich Gurk folgten ihr auf die gleiche Weise, und Charity atmete erleichtert auf, als sie sah, daß der Moroni so dagestanden hatte, daß er vom Gang aus nicht sichtbar war, und sich die Tür mit einem dumpfen Knall hinter ihnen wieder schloß. Der Moroni sah sie an, blickte dann kurz zur Tür und trat mit einem raschen eckigen Schritt wieder an die Kontrollen des Gleiters heran. Tief im Rumpf des Schiffes begannen gewaltige Maschinen zu arbeiten, und auf dem großen Zentralschirm wurde das Wrack des Space-Shuttles ganz allmählich kleiner. »Was glaubst du, wie lange das gutgeht?« fragte Skudder, ohne sie anzusehen. »Was?« Skudder machte eine Kopfbewegung zur Tür. »Früher oder später mußt du sie hereinlassen. Sie werden durchdrehen, wenn sie ihn sehen.« Er deutete auf Kias, und der Moroni hob kurz den Blick von den Kontrollen und sah ihn seinerseits an; dann konzentrierte er sich wieder darauf, das Schiff mit wachsender Geschwindigkeit von der Orbit-Stadt wegzusteuern. Charity sah auf ihre Uhr. Noch vier Minuten. Seltsam – sie hatte nicht einmal Angst. Jetzt nicht mehr. »Sie werden ihn sehen«, sagte sie. »In fünf Minuten. Wenn wir dann noch leben.« Skudder zog fragend die Augenbrauen hoch, und Charity fügte hinzu: »Ich bin nicht sicher, daß wir es schaffen. Du etwa?« »Er ... hat gesagt, sie wird explodieren«, murmelte Skudder. »Aber er hat auch gesagt, wir wären nicht, in Gefahr.« »Vielleicht hat er recht«, sagte Charity. Sie preßte die Lippen aufeinander. »Diese Leute halten uns für Götter, Skudder. Sie glauben, wir wären gekommen, um sie ins Paradies zu führen. Gibt es einen logischen Grund, sie in ihren letzten drei Minuten glauben zu lassen, die Götter hätten sie belogen?« Langsam glitt das Schiff weiter von der Orbit-Stadt weg. Die Krümmung des künstlichen Horizonts kam in Sicht, und wenige Augenblicke später füllte die Raumstation den Schirm in ihrer ganzen Größe aus; ein riesiger, schimmernder Silberring, in dessen Mitte sich ein bizarres Etwas drehte. Die Bewegung der Riesenhantel war fast zum Stillstand gekommen. »Wie lange noch?« fragte Skudder. Charity sah auf die Uhr. »Zwei Minuten.« Sie atmete hörbar ein, dann sah sie den Moroni an. »Verstehst du mich?« »Ja«, antwortete Kias. Seine Stimme klang unangenehm und metallisch; die Computerstimme aller Moroni. »Könnt ihr es aufhalten?« »Nein«, antwortete
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