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Die Schwarze Festung

Die Schwarze Festung

Titel: Die Schwarze Festung
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seinem Pult, und wieder leuchtete vor ihm ein Monitor auf. Diesmal zeigte er keine Buchstaben- und Ziffernkombinationen, sondern das verschlungene Symbol der Schwarzen Festung. Der Inspektor senkte den Blick. Nicht aus Furcht oder Respekt, denn beide Begriffe gehörten nicht zu seinem Vokabular, ja, es gab in seiner Sprache nicht einmal einen Ausdruck dafür, sondern einem instinktiven Reflex folgend, wie er vor Urzeiten in die Erbsubstanz seines Volkes eingepflanzt worden war. Niemand durfte die Herren der Schwarzen Festung sehen. Ihr Anblick war tödlich für sein Volk. »Herr?« sagte er. Die Antwort, die aus dem Lautsprecher drang, klang kalt und metallisch, wie die Stimme einer Maschine, die sie auch war – die Stimme der Herren war so tödlich wie ihr Anblick. Es gab keine Begrüßung, keine Höflichkeitsfloskeln. Solcherlei Dinge waren Zeitverschwendung, und auch das war ein Wort, das es in der Sprache Morons nicht gab. »Überprüfe noch einmal die Ergebnisse der letzten Hochrechnung.« Nun empfand der Inspektor doch ein leises Gefühl von Verwunderung. Seit er in diesem Datenkomplex arbeitete, war so etwas noch nicht vorgekommen. Und es war auch nicht nötig. Die Computer begingen keine Fehler. Sie sammelten Daten, werteten sie aus, und ihre Ergebnisse waren richtig. Immer. Trotzdem gehorchte er, ohne zu zögern. Seine chitingepanzerten Finger huschten mit der Geschicklichkeit eines Pianisten über vier Computertastaturen gleichzeitig. Auch diesmal vergingen nur wenige Augenblicke, bis das Ergebnis auf einem der Monitore vor ihm erschien, und doch wurden in dieser Zeit Hunderte von Datenbänken abgerufen, Trillionen von Informationen aufgelistet und miteinander verknüpft, Milliarden von Möglichkeiten durchgerechnet und Wahrscheinlichkeiten aufgestellt, mögliche Fehlerquellen erkannt und durch Extrapolationsverfahren eliminiert, die älter waren als dieser Planet und sich milliardenfach bewährt hatten. Das Ergebnis war bis auf die siebzehnte Stelle hinter dem Komma das gleiche wie bei seiner ersten Übertragung. Der Inspektor war weder überrascht noch befriedigt. Er hatte nichts anderes erwartet. Aber – täuschte er sich? – für einen Moment glaubte er, so etwas wie Beunruhigung in der Computerstimme zu hören, die aus der Schwarzen Festung am Nordpol zu ihm drang. »Das Evakuierungsprogramm wurde soeben geändert. Die verbliebene Frist ist kürzer als bisher angenommen. Der Abtransport von Arbeitern zweiter und dritter Klasse sowie nicht geschlechtsreifer Königinnen wird gestoppt. Der Abtransport von Kriegern mit leichter und mittelschwerer Bewaffnung hat absoluten Vorrang. Du selbst wirst das Kommando über deinen Bezirk an deinen Stellvertreter übertragen und mit deinen Kriegern einen Angriff auf das mutierte Nest auf dem nördlichen Kontinent übernehmen.« Die beiden linken Hände des Inspektors huschten bereits wieder über das Schaltpult, um die Befehle der Herren auszuführen und das Evakuierungsprogramm zu ändern, aber plötzlich erstarrte er mitten in der Bewegung, und plötzlich tat er etwas, was noch vor Sekunden für ihn selbst schier unvorstellbar gewesen wäre und was ihn selbst vielleicht am meisten überraschte: Er widersprach dem Befehl, der aus dem Lautsprecher drang. »Einen Angriff auf das Nest?« wiederholte er ungläubig. »Das ist unmöglich! Die Gefahr wä ...« »Die Gefahr ist uns bekannt«, unterbrach ihn die Computerstimme. »Ein Totalverlust deiner Einheit wurde einkalkuliert. Es ist von allergrößter Wichtigkeit, die mutierte Königin dieses Nestes in unsere Gewalt zu bringen. Und wir brauchen sie unverletzt.« Der Inspektor widersprach nicht mehr. Aber er spürte plötzlich etwas, das vielleicht vor ihm noch kein anderes Mitglied seines Volkes empfunden hatte, ein Gefühl, das ihn zutiefst verwirrte, denn er konnte es nicht einordnen, und es führte zu Reaktionen in seinem Körper und seinem Denken, die ihm völlig fremd und unverständlich waren.
    Und doch war es das Gefühl, auf dem letztendlich die Macht dieses gewaltigen Sternenreiches beruhte: Angst.

Kapitel 1
    Die beiden letzten Stunden waren die Hölle gewesen. Sie hatte längst aufgehört zu zählen, wie oft sie angegriffen worden waren und wie oft sie das Feuer erwidert hatten oder auch geflohen waren. Es war die Hölle, und vielleicht würde es in alle Ewigkeit so weitergehen, Stunde um Stunde, Tag um Tag, Jahr um Jahr – für immer. Keiner von ihnen war noch unverletzt. Charity selbst war
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