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Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund
Autoren: Margit Sandemo
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warten, bevor er weiter sprechen konnte.
    »Ganz Lindenallee… und Grä… stensholm vermissen dich, Sol.«
    »Das sollen sie nicht«, sagte sie. »Grüß sie alle und sag ihnen, daß ich jetzt glücklich bin. Ich will es so, versteht ihr. Ich passe nicht in euere Welt. Aber Are …«
    Sie wartete etwas. Verwundert. »Ich habe genau in diesem Moment das Gefühl als … als … genau in diesem Moment habe ich das Gefühl, als würde ich zurückkommen. In einer anderen, angenehmeren Form. Ich verstehe dieses Gefühl nicht ganz, aber es wäre schön, Are! Und… kümmere dich statt meiner um Sunniva.«
    »Das werden wir alle tun. Wenn es Tengel und Silje nicht schaffen, nehmen Liv, Dag und ich sie. Sie wird es gut haben, Sol.«
    »Dann ist ja alles gut. Grüß sie alle, und sag ihnen, sie sind die einzigen Menschen, die ich ins Herz geschlossen habe.« »Das wissen wir.«
    Er streckte die Hand hinunter und spürte Sols kleine Hand in seiner. Nach einer langen, langen Zeit ließen sie einander los, und sie traten die stumme Heimreise an.
    Sol nahm die Sachen, die sie von Tengel bekommen hatte. Sie rieb sich zuerst mit der Salbe ein, und dann aß sie den Kuchen und trank den Wein. Danach legte sie sich auf die Pritsche.
    Zwischen Traum und Wachen offenbarte sich ihr etwas. Eine kristallklare Erinnerung.
    »Nun weiß ich, warum Tengel der Böse mich so haßt«, flüsterte sie in die Dunkelheit. »Nun weiß ich, wo ich ihn gesehen habe.«
    Doch niemand hörte sie mehr.
    Sie flog über die wellige Landschaft und über tiefe Wasser, bis sie Seinen Berg erreichte. Dort fuhr sie in die Tiefe hinunter und steuerte in den Abgrund hinein, bis sie auf einer Wiese landete.
    Der Fürst der Finsternis kam auf sie zu, und er war faszinierender als je zuvor. Seine Gesichtszüge glichen denen des jungen Tengel - doch er war es nicht, er war Sols eigener Dämon. Und er umschloß sie mit seinen Armen und sprach zu ihr.
    »Endlich bist du bei mir, meine Geliebte, und wir werden bis in alle Ewigkeit zusammen bleiben.«
    Seine Augen waren herzlich und liebevoll. Wirklich liebevoll, so wie sie es sich ersehnt hatte. Sie begegnete der Liebe, der Innigkeit und dem Verständnis, nach dem sie ihr Leben lang gesucht aber nie gefunden hatte. Und mit einem Mal fühlte sie sich selbst voller Liebe, echter Liebe zu ihm. Sie konnte einen Mann lieben - sie, die bis dahin nur die sinnliche Liebe gekannt hatte, und das nur in diesen unfruchtbaren Ritten zum Blocksberg. Jetzt gehörte die Welt der Liebe ihr! Zum ersten Mal war Sol wirklich glücklich.
    Auf Grästensholm saßen alle zusammen, sie konnten unmöglich schlafen. Charlotte saß auf der Bank vor dem offenen Kamin, ohne sich zu rühren. Jacob Skille war bei ihr. Doch seine Trauer war fast genauso groß. Und auf der anderen Bank weinte Liv ungehemmt in Dags Armen. Plötzlich erstarrten alle. Durch den Sturm hörten sie ein langgezogenes, langsames Krachen. »Was war das?« flüsterte Charlotte. Dag ging ans Fenster.
    »Es kam von der Lindenallee«, sagte er. »Ich glaube, es war ein Baum.«
    »In der Allee?«
    »Ja.«
    »Dann ist es vorüber«, flüsterte Liv grenzenlos traurig. Eine rastlose Seele war endlich zur Ruhe gekommen. Erloschen, mitten im schönsten Liebestraum ihres Lebens. Silje saß zu Hause auf Lindenallee und wartete auf die anderen, als sie den Baum fallen hörte. Sie dachte daran, wie Tengel bei ihrer ersten Begegnung die pestinfizierte Sol gesehen hatte. Er hatte lange gezögert, unsicher, ob es richtig ist, das Kind zu retten. Doch. Es war richtig gewesen!
    All ihrer offensichtlichen Fehler zum Trotz hatte Sol sie viel über Selbstlosigkeit - und insbesondere über Liebe gelehrt. Dank vieler ihrer drastischen Eingriffe im Lauf der Jahre hatten alle auf Lindenallee und Grästensholm in Frieden vor bösen Menschen leben können.
    Silje hatte Sunniva auf dem Arm, hielt sie fest an sich gedrückt. Draußen sank die Linde das letzte kleine Stück zur Erde, nachdem sie sich in den Ästen eines anderen Baumes verfangen hatte. Siljes Gesicht erstarrte. Ihr fröstelte so sehr, daß sie zitterte, obwohl es in dem Raum warm war. Durch ihre Gedanken jagten Hannas Worte. Du und Tengel, ihr seid die einzigen, die das Eisvolk weiterführen können. Sol ist nur eine Sackgasse. Sie haßte diese Worte.
    »Was soll nur aus dir werden, mein Kind?« flüsterte sie. »Was soll nur aus dir werden?«
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