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PR TB 130 Insel Der Bewährung

PR TB 130 Insel Der Bewährung

Titel: PR TB 130 Insel Der Bewährung
Autoren: Perry Rhodan
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1.
    Wärme und Licht hatten die Iter aus der nächtlichen
Erstarrung gelöst. Sie fraß mit schnellen Bewegungen ihrer
kinderhandgroßen Mandibeln ein paar Blätter des Astes, auf
dem sie in der Nacht regungslos gewartet hatte. Dann bewegten sich
ihre sieben Beinpaare über die borkige Rinde des Astes. Die Iter
drängte darauf, sich zu bewegen, den Plan zu beenden, der in
ihrem Instinkt vorhanden war. Zitternd blieb die Iter stehen, als das
vorderste Bein-paar den freien Luftraum hinter und unter dem Ende des
Astes ertastete. Die Iter hatte den Schatten verlassen; das grelle
Sonnenlicht aktivierte die Facettenaugen, die tief unter der
milchig-durchsichtigen Haut versteckt waren. Bewegung kam in das
Tier.
    Der Hinterleib, wie ein dünner Rüssel mit düsenspitzem
Ende geformt, hob und senkte sich mehrmals. Ein Tropfen einer silbrig
glänzenden Flüssigkeit trat aus. Er hatte die Konsistenz
von Honig und roch nach ätherischen Ölen, nach Azeton und
Narde vulgaris. Der Hinterleib der Iter klappte nach unten und
heftete den Tropfen zwischen die aufgesprungene Rinde. Nach zehn
Sekunden Pause krabbelte die Iter zielstrebig nach vorn, bis sie das
Übergewicht bekam und nach unten kippte.
    Langsam drehte sie sich um den eigenen Faden und sah die gelbe
Fläche näher kommen. Sie wußte in ihrem
Verhaltensmuster, daß ihre Artgenossen von allen Seiten kamen,
um die Arbeit des Tages zu beginnen und der vielen folgenden Tage.
    Obwohl sie nichts anderes als Tiere waren, den Seidenraupen nicht
unähnlich, nur fünfzehnmal so groß, besaßen
sämtliche geschlechtsreifen Iter ein Programm. Jedes Individuum
„kannte" einen Teil des Programms, und über die Fäden
konnten sie sich auf unbegreifliche Weise miteinander abstimmen. Mit
erheblicher Geschwindigkeit kroch die Iter auf das Zentrum der
kleinen Lichtung
    zu. Sie zog einen Faden hinter sich her, der einen Millimeter dick
war. Ein Meter, nachdem der Faden die Spinndüse verlassen hatte,
verlor er seine Klebrigkeit, auch der Geruch nahm schnell ab. Der
Spinnfaden schimmerte im Sonnenlicht wie gesponnenes Silber. Nun
besaß er die Festigkeit eines feinen Nylon- oder Perlonfadens.
Als zwei-hundertfünfzig oder dreihundert Iter das Zentrum der
Sandfläche erreichten, blieben sie wie auf Kommando stehen. Die

    Fäden, die vom Rand der Lichtung ins Zentrum deuteten,
berührten einander noch nicht.
    Die Iter erkannten ein Hindernis.
    Es war dunkel und hell in anderen Teilen, besaß vier
Extremitäten, einen dicken Körper und einen Kopf. Und es
lebte. Noch lebte es - die Iter spürten die Anwesenheit von
Leben. Sie waren vollkommen verwirrt. Das Muster ihrer Arbeit war
gestört worden und ins Stocken geraten.
    „Ahhh!"
    Das Hindernis gab einen langgezogenen, qualvollen Ton von sich.
Die großen Fühler der Iter spielten aufgeregt in der
heißen Luft. Sie fingen Gerüche und Schwingungen auf.
    „Ich muß ... oh, verdammt...!" murmelte das
Hindernis.
    Vielleicht war es das dauernde Knistern gewesen, das ihn
aufgeweckt hatte. Vielleicht auch die Sonne des Vormittags, die
stechend auf den kreisrunden Sandfleck schien. Sein Kopf dröhnte.
Seine Augen drückten gegen die Lider, denn feurige Kreise und
Muster zeichneten sich auf der Netzhaut ab. Wieder stöhnte er,
dann bewegte er vorsichtig Arme und Beine.
    Er murmelte:
    „Was ist passiert?"
    Sein Körper war von einer dumpfen Lähmung befangen.
Seine Nerven und Muskeln schienen paralysiert zu sein. Als er sich
aufsetzte und schließlich die Augen öffnete, sah er einen
Halbkreis von weißen, madenähnlichen Tieren, die ihm
Hunderte von Fühlern entgegenstreckten. Die Fragen trafen ihn
wie ein Faustschlag.
    Wer war er?
    Wo war er?
    Wie war er hierher gekommen?
    Was bedeuteten die Tiere am Ende ihrer langen Spinnfäden?
    Er fühlte sekundenlang würgende Angst. Er war völlig
desorientiert. Als er auf die Beine kam, taumelte er. Die weißen
Raupen setzten ihre Wanderung fort.
    Die Tiere schlössen den Kreis, umrundeten denjeweiligen
Partner nach einem Muster, das wie ein einstudiertes Ballett in
Zeitlupe aussah, und liefen wieder zurück an den Rand der
Lichtung. Sie zogen vielfarbige Fäden hinter sich her. „Ich
bin Yantro Addaura!" sagteer.
    Vorsichtig, um das Netz nicht zu zerstören, verließ er
seinen Platz. Er bewegte sich mit langsamen, taumelnden Schritten.
Auf halbem Weg kamen ihm wieder die Raupen entgegen. Unbewußt
nahm er wahr, daß sie sich nach einem komplizierten Muster
bewegten. Yantro stolperte weiter. Er fühlte sich
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