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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1
Autoren: Michelle Zink
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Ich empfinde ein solch überbordendes Bedauern, solche Trauer und schließlich - ungeheuren Zorn. Ich verlasse das Zimmer, ohne noch einmal zurückzuschauen, und ziehe die Tür hinter mir zu. Lasse die Schwester, die ich einst kannte, auf der anderen Seite zurück.
     
    Als ich in mein Zimmer zurückkehre, sehe ich, dass die Tür einen Spalt geöffnet ist. Ich trete ein und bleibe stehen. Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass gerade eben noch jemand hier war.
    Ich schaue mich um und überlege, ob etwas fehlt, aber alles ist so, wie ich es vor Kurzem verlassen habe. Die Fenster sind geschlossen.
    Da entdecke ich das Blatt Papier, das auf meinem Schreibtisch liegt.
    Zögernd gehe ich durch mein Zimmer. Ich bin mir zwar ziemlich sicher, dass sich niemand in irgendeiner dunklen Ecke versteckt, aber das Gefühl, dass jemand in meine Privatsphäre eingedrungen ist, versetzt mich in Unruhe. Am Schreibtisch angekommen, strecke ich die Hand aus und hebe das Papier von der Tischplatte. Der Raum wird nur vom Licht des Feuerscheins erhellt, und ich muss mir das Blatt dicht vor die Augen halten, um die Worte erkennen zu können. Ich brauche ein paar Sekunden, um die geschwungene Schrift zu entziffern, obwohl die Botschaft einfach und kurz ist.

    Um das Ende des Buchs zu erreichen, musst du den uralten Hain durchqueren und zur geheimen Insel gelangen. Nutze die Zeit bis dahin, um dich für die bevorstehende Schlacht zu wappnen. Und vertraue niemandem.
    Ich lasse mich auf den Stuhl fallen, das Blatt Papier immer noch in der Hand haltend. Die Hoffnungslosigkeit, die seit Henrys Tod mein ständiger Begleiter geworden ist, rückt ein wenig von mir ab. An ihre Stelle tritt ein Gefühl von Entschlossenheit.
    Wieder betrachte ich die Botschaft. Sie ist nicht unterschrieben, aber das spielt keine Rolle. Wenn ich auch nicht die Person kenne, die mir die Worte geschickt hat, so begreife ich doch nur zu gut ihren Inhalt - ein deutliches Indiz dafür, wie sehr sich mein Leben verändert hat.
    Die verlorenen Seiten des Buches existieren noch.
    Ich muss sie finden und sie benutzen, um die Prophezeiung zu beenden.
    Und dann muss ich versuchen, von vorne anzufangen.
     
    Lange Zeit schwebt die Schreibfeder über dem Papier. Ich suche nach den richtigen Worten. Trotz unseres Gesprächs im Buchladen wäre es James gegenüber nicht fair, wegzufahren, ohne ihm zumindest ansatzweise die Wahrheit zu sagen. Denn immerhin ist James mein ältester Freund, mein treuester Verbündeter, mein Liebster.

    Aber in der Prophezeiung ist kein Platz für die Liebe. Nicht jetzt.
    Ihn mit hineinzuziehen, wäre nichts weiter als ein Akt der Selbstsucht. Andererseits will ich ihm nicht wehtun. Ich will versuchen, ihm eine Erklärung zu liefern, ohne allzu viel preiszugeben. Ich will ihm erklären, dass ich Zeit brauche. Dass ich ihn verlassen muss, ihn, Birchwood und Alice. Dass ich alles zurücklassen muss, was mich davon abhält, die Antworten zu finden, nach denen ich suche und die mir helfen, die Prophezeiung ein für allemal zu beenden.
    Ich weiß nicht, ob es genug ist - meine kleinen Worte, meine bedeutungslosen Plattitüden, meine leeren Entschuldigungen. Aber es ist alles, was ich ihm geben kann, alles, wozu ich unter der Last meiner Trauer und in der Gewissheit des Kampfes, der vor mir liegt, in der Lage bin.
     
    Lieber James,
     
    ich sage nicht Lebewohl. Denn dies ist nicht das Ende unserer Liebe. Wie könnte es das sein, wo doch dein Herz neben meinem schlägt, seit ich denken kann?
     
    Nein, wir sind zwei Seiten derselben Münze. Wir gehören zueinander, haben immer zueinandergehört.
     
    Ich denke an deine warmen Lippen auf meinem Mund, an deine Worte am Erntedankfest, und ich gebe dir meine Antwort: Ja, ich will die Deine sein. Ja, ich möchte den Rest
meines Lebens mit dir verbringen. Ja, ich sehne mich danach, bis in alle Ewigkeit meine Hand in deiner zu spüren.
     
    Aber diese Wünsche können nicht wahr werden, bis ich die Antwort auf eine Frage gefunden habe, die mir erst kürzlich gestellt wurde. Eine Frage, die sowohl düster als auch gefährlich ist. Ich werde allein nach der Antwort suchen, weil ich dich nicht mit hineinziehen möchte, obwohl ich weiß, dass du meiner Entscheidung widersprechen würdest, wenn es dir möglich wäre.
     
    Und weil ich weiß, dass du versuchen würdest, mich von meinem Entschluss abzubringen, spreche ich nicht von Angesicht zu Angesicht zu dir, mein Liebster, sondern schreibe dir diesen Brief. Ich weiß, dass
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