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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1
Autoren: Michelle Zink
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war jeden Tag in Birchwood. Hat Virginia dir davon erzählt?« Seine Stimme ist ein heißes Flüstern in meinem Haar.
    »Ja. Es tut mir so leid, James. Ich… ich konnte einfach niemanden sehen. Niemanden.«
    Er tritt einen Schritt zurück, hält mich an den Schultern und schaut mir prüfend ins Gesicht. »Natürlich. Das verstehe ich. So wäre es jedem gegangen. Aber warum? Warum bist du jetzt hier? Du hättest mir nur eine Nachricht zu schicken brauchen und ich wäre sofort zu dir gekommen. Du hättest dich nicht bei Nacht und Nebel einer solchen
Fahrt aussetzen müssen.« Er beugt sich zum Fenster und registriert zufrieden Edmund, der draußen an der Hauswand lehnt.
    Ich hole tief Atem. »Ich … ich muss mit dir sprechen. Heute Abend. Ich muss dich um etwas bitten.« So ist’s gut , denke ich. Genau so. Eins nach dem anderen.
    »Sicher. Was du willst. Aber wärme dich erst einmal auf, Lia. Komm her und setz dich ans Feuer.« Er nimmt meine Hand und will mich in die Geborgenheit des Hinterzimmers ziehen.
    Ich schüttele den Kopf und stemme mich mit den Fersen gegen den Boden. »Nein!« Meine Stimme klingt rauer als beabsichtigt, aber ich darf mich nicht von der Wärme und der Bequemlichkeit eines gemütlichen Kämmerchens einlullen lassen. Denn dann würde ich niemals die Kraft finden fortzugehen. »Ich kann nicht. Das heißt, ich … Bitte lass uns hier reden, James. Bitte!«
    Er hört die Verzweiflung in meiner Stimme und seine Augen verdunkeln sich. Widerstrebend nickt er, aber in seiner Stimme liegt eine solche Entschlossenheit, dass ich mich der Kraft seiner Worte nicht entziehen kann. »Du sollst wissen, dass ich für dich alles tue, egal was du brauchst, egal worum du mich bittest. Ich werde es dir gewähren, wenn es in meiner Macht liegt.«
    Ich fühle seinen Blick auf mir ruhen, während ich meine Augen über die Bücherreihen hinter seinen Schultern gleiten lasse. Seine Worte sollten mir Trost und Mut spenden. Sie sollten mich daran erinnern, dass James alles tun würde,
was ich von ihm verlange. Doch was sie mir in Wahrheit sagen, ist etwas, das ich insgeheim geahnt und befürchtet habe: Seine Entschiedenheit beweist mir, dass er sich nicht zurückhalten wird. Er wird darauf bestehen, mich nach London zu begleiten, bis ans Ende der Welt, wenn nötig, ehe er erlauben wird, dass mir ein Leid geschieht.
    Ich blicke ihm wieder in die Augen. Nie ist mir etwas schwerer gefallen als die Lüge, die ich ihm erzählen muss. »Es ist… nichts von… Bedeutung. Nur… Ich fürchte, dass es eine Weile dauert, bis ich da weitermachen kann, wo ich aufgehört habe. Bis ich … darüber hinwegkomme, über das, was geschehen ist.« Meine Worte werden leiser und leiser, bis sie zum Schluss in einem Flüstern versiegen. Und da merke ich, dass es keine Lüge ist. Denn es wird nie mehr so sein wie zuvor.
    Er atmet tief ein, als ob er erleichtert wäre, lächelt mich sanft an und nimmt meine Hände. »Niemand erwartet etwas anderes von dir. Ich am allerwenigsten. Ich bin hier und warte auf dich, egal wie lange es dauert.«
    Ich erwidere sein Lächeln. Dann stelle ich mich auf die Zehenspitzen und küsse seine weiche Wange. »Danke, James. Ich bete, dass es wahr ist.« Und damit wende ich mich zum Gehen, ehe meine Entschlossenheit dahinschmilzt.
    »Lia?«
    Ich drehe mich um und sehe, dass er die Hand an die Wange gelegt hat, als ob er den Kuss davon abhalten wollte davonzufliegen.
    »Ich liebe dich.« Er sagt es, als ob er wüsste, dass er mich
nie wiedersehen wird, obwohl das nicht sein kann. »Ich liebe dich, Lia.«
    »Und ich liebe dich, James.« Mir schnürt es die Kehle ein.
    Und dann bin ich draußen, schließe die Tür fest hinter mir und wende mich an Edmund. »Danke Edmund. Ich bin fertig hier.«

34
     
     
     
     
    D ieses Mal warte ich, bis Alice auf mein Klopfen reagiert. Wenn einem jemand das Leben rettet, kann er ein gewisses Maß an Höflichkeit erwarten, egal was den Ereignissen vorausging.
    »Herein.« Alices Stimme hinter der riesigen Tür klingt klein, wie früher, als wir noch Kinder waren.
    Langsam schiebe ich die Tür auf. Ich habe mich vor diesem Gespräch gedrückt, vor dem letzten Abschied, den ich nehmen muss. Und bei Weitem der schwierigste, denn er wird endgültig sein.
    »Alice.« Wie eine formelle Besucherin bleibe ich am Fußende ihres Bettes stehen, während sie ihren Platz auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch beibehält.
    »Lia. Geht es dir gut?« Ihre Augen sind freundlich, ihre Stimme
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