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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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meint Winston, »müsste der Typ sich mit irgendeinem abgefahrenen Wodka zugesoffen haben.«
    Aber wie es Alfredos Gewohnheit ist, macht er sich trotzdem Sorgen. Es ist nicht die Sorge, dass die ABC-Brüder, nachdem sie Vladimir abgezogen haben, gleich auch noch Winston und Alfredo abziehen könnten. Dafür kennen sie sich einfach zu lange, haben zu viel gemeinsam am Laufen: morgen Abend etwa steigt in Max Marshmellows Keller ein Hundekampf. Was aber, wenn die ABC-Brüder versuchen würden, ihre zahlenmäßige Überlegenheit auszuspielen? Als Einschüchterungsweltmeister würden sie sich möglicherweise mit ihrem kumulierten Größenvorteil von dreiundfünfzig Zentimetern über Alfredo beugen (Alfredo ist 1,71 Meter) und lauthals darauf bestehen, dass die Beute pro Kopf und nicht pro Crew verteilt wird, was den Brüdern den Löwenanteil von Vladimirs E und Kohle sichern würde. Was also, wenn sich die Brüder gegen sie verschwören würden … oh, vergessen wir das lieber mal. Bei Alex’ und Bam-Bams Mobiltelefonen schaltet sich sofort die Mailbox ein. Lediglich Curtis nimmt Alfredos Anruf entgegen.
    Was auch ganz gut ist. Bloß einen ABC-Bruder an der Angel zu haben ist einfacher, als bei allen drei gleichzeitig die Strippen zu ziehen, selbst wenn der eine Curtis Hughes ist, siebzehn Jahre alt, der jüngste des Trios und der streitlustigste, was ein bisschen so ist, als würde man beim Schönheitswettbewerb in einer Leprakolonie den letzten Platz machen.
    » I st nicht dein Ernst«, sagt Curtis, als er ankommt. »Das ist dein Drogendealer? Die kleine Käsefresse da auf der anderen Straßenseite? Mit den Händen in den verwichsten Taschen?« Curtis zieht einen Gelben hoch und spuckt ihn auf den Gehweg, ganz knapp vor Alfredos Timberland-Stiefel. »Sag mir, dass der eigentliche Leithammel hinter der nächsten Ecke steht. Und händevoll X vertickt. Sag mir, dass du mich verarschst, Alfredo.«
    Alfredo und Winston haben Curtis darum gebeten, sich auf dem Gehweg gegenüber der katholischen Schule mit ihnen zu treffen, und dort ist er nun missmutig aufgekreuzt. Er steigt von seinem Fahrrad, einem 24-Zoll-Schwinn für Kinder. Curtis, das Gesicht klitschnass, das Hemd klebt ihm an der Brust, schwitzt trotz des kühlen Wetters wie Patrick Ewing an der Freiwurflinie. Kleine Fahrräder sind sein liebstes Fortbewegungsmittel – sie sollen der Welt zeigen, dass er ein echter Gangster ist, sich nicht zu gut dafür, einem Kind das Fahrrad abzuknöpfen –, aber es ist gar nicht so einfach, als erwachsener Mann auf einem Jungenfahrrad zu fahren, es geht besonders auf die Knie, und Curtis hatte nur deshalb eingewilligt, die zwanzig Blocks hierherzustrampeln, weil er dachte, er würde einen Drogendealer abziehen. Nicht irgendeine Witzfigur mit dem Daumen im Arsch.
    »Weil, ich muss nicht den ganzen Weg hierher machen, um Weiße abzuziehen. Das kann ich auch zu Hause.«
    »Keine Angst«, sagt Winston. Er steckt sich ein Stück General-Tso-Huhn in den Mund. Auf dem Weg hierher hat Winston, die Augen gerötet und mit knurrendem Magen, bei Wok’n’Roll auf der 73rd einen Zwischenstopp eingelegt. Er isst direkt aus der Schachtel, Bratreis klebt ihm am Kinn. »Vertrau mir«, sagt er.
    Curtis starrt ihn an, das Gesicht verzerrt, als hätte ihm gerade jemand einen Klacks Fäkalien unter die Nase geschmiert. »Ich weiß ja, dass ich ein Vollspast bin«, sagt er. »Und ich weiß, dass da nichts zu machen ist, wenn man so offenkundig bescheuert ist. Aber die Drogendealer in Corona? Die sehen aus wie ich. Und die Kids, die so aussehen? Wie der auf der anderen Straßenseite? Das sind Möchtegern-Schwarze, die sich halloweenmäßig verkleiden. Fake-Schwachmaten, die versuchen, hart rüberzukommen. Und niemand fällt darauf rein, keiner nimmt diese Kids ernst und gibt sich mit ihnen ab, außer, na ja, den ganz Fertigen. Aber klar. Das ist Corona.«
    »Wir wollen wissen, ob er ein Drogendealer ist?«, sagt Alfredo. »Fragen wir ihn.«
    Sie überqueren die Straße. Die Monsignor McClancy High School ist ein graffitiloser, frisch gestrichener dreistöckiger Bau mit großen Fenstern, Rasenflächen und hohen, Schatten spendenden Bäumen. Es hätte auch Alfredos Schule sein können. Wäre nicht der Unfall seines Vaters gewesen, der darauf folgende Verlust von Jose Seniors Laden und die rapide ansteigenden Kosten seiner medizinischen Versorgung, Alfredo wäre möglicherweise hier gelandet, hätte seine Bücher und Notizblöcke durch die schwere Tür
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