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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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schmal, aber breit genug, um einem Jungs-Duo im Teenageralter Unterschlupf zu bieten, folgte die Gasse auf eine zuvor gemachte Entdeckung – Marihuana – und war der perfekte Ort, um die ersten schlecht gerollten Joints zu rauchen. Keine Polizei, keine alten Damen, keine Schnorrer, die nur mal eben schnell ziehen wollten. Nur sie beide. Die Gasse ist T-förmig und Alfredo und Winston bedröhnen sich hinter einem zur Straße hin geschlossenen Tor. Links und rechts von ihnen befinden sich ein Waschsalon und ein Nagelstudio, die beide ihre eigene geruchsintensive, Marihuana kaschierende Chemie produzieren. Am Kopf des T stehen Zwei- und Dreifamilienhäuser, weit genug entfernt, so dass Nachbarn nur selten mit gekräuselter Nase die Bullen riefen; und nah genug, dass Winston und Alfredo in so einem Fall direkt auf die Häuser zulaufen, zwischen einer Vielzahl von Auswegen, dieser Einfahrt oder jenem Garten, wählen und dann locker vom THC, das durch die Gefäße strömte, sicher auf die Straße schlüpfen konnten. Das ging Jahre so. Winston und Alfredo drückten sich in die Gasse und kamen eine Viertelstunde später wieder heraus, kichernd und rotäugig, eine Rauchwolke im Schlepp.
    Das alles hörte auf, als Tariq ins Gefängnis kam. Denn als Tariq ins Gefängnis kam, fingen Winston und Alfredo an zu arbeiten, nutzten die Gasse nun als Ausgangspunkt ihrer geschäftlichen Transaktionen. Aus denselben Gründen, die sie für Erholungszwecke so perfekt machte – wenig exponierte Lage, zahlreiche Fluchtwege –, eignete sich die Gasse ebenso perfekt für professionelle. Aber quarzen ist nicht mehr, sagte Alfredo. Wir können nicht hinkacken, wo wir essen. Nicht paffen, wo wir dealen. Daswar eine von vielen Regeln, und heute gestattet er, dass sie gebrochen wird.
    »Fünfzehn?«, sagt Winston. Zwischen den Fingern eingeklemmt hält er den Joint, der als Mutmacher gedacht war. »Ich meine, der ist ja noch ein Kind. Verstehst du?«
    Alfredo sitzt auf dem Boden, den Rücken zur Wand, die Hand auf der Brust. Er zählt seine Herzschläge. Das große dunkle Kissen ist noch nicht erschienen, um sich auf sein Gesicht zu legen, aber er weiß, es wird kommen.
    »Und es ist mitten am Tag«, sagt Winston. »Und dazu noch einem richtig schönen. Meine Güte, brauchst du vielleicht eine Papiertüte zum Reinatmen?«
    Alfredo schüttelt den Kopf.
    »Na ja, aber sag Bescheid«, sagt Winston. Auf dem Boden liegt eine Glasflasche, und Winston tritt dagegen, schickt sie rotierend und klirrend bis ans andere Ende der Gasse. »Der Junge wird vor einer Schule stehen«, sagt er. »Das macht mir Sorgen. Die haben doch Bullen vor den Schulen heutzutage. Sind da nicht sogar Bullen auf den Fluren?«
    »Von Bullen weiß ich nichts«, sagt Alfredo. »Vielleicht ein paar Nonnen.« Winston hält Alfredo den Joint hin, doch Alfredo winkt ab. Er hat bereits zwei oder drei Züge genommen in der Hoffnung, die Panik zu mildern, die sich in seiner Brust breitmacht. Es hat nicht funktioniert. Er lehnt sich vor, von der Wand weg, und steckt den Kopf zwischen die Knie.
    »Dann gehen wir doch einfach rüber zu Gianni’s«, sagt Winston. »Holen uns Pizza. Hängen ein bisschen ab.« Er zieht eine weitere Lunge Gras ein, die Kirsche an der Spitze des Joints glüht rot auf. Er reicht ihn wieder an Alfredo, aber Alfredo winkt erneut ab. »Bist du sicher?«, sagt Winston. Irritiert schaut er auf seine Hand, als wolle er sich vergewissern, dass er ihm noch immer einen Joint hinhält, dass der sich nicht in etwas völlig anderes verwandelt hat, eine Tasse Tee etwa oder eine große Messingtuba. »Du willst hiervon gar nichts mehr?«
    »Alles deins«, sagt Alfredo. Wenn Winston qualmt, hält er wenigstens die Klappe. Solange der Joint zwischen seinen Lippen federt, kann er einen nicht in einer Tour mit seinen Sorgen vollnölen und dabei Alfredos eigene geheime Ängste schüren. Alfredo ist sich weiß Gott nicht zu schade, das Gesetz zu brechen, aber Stehlen kann er nicht. Er wünscht sich, mehr wie der kürzlich dahingeschiedene John Gotti zu sein, ein Gangster, für den Klauen das reinste Vergnügen war, der hat sich einen Lastwagen voller Pelzmäntel unter den Nagel gerissen, nur wegen des Kitzels. Aber das ist nicht Alfredo. Darüber reden, klar. Auf einer Parkbank sitzen und was ausbaldowern. Aber in einer Gasse zu sitzen, kurz bevor es ernst wird – das ist für Alfredo ein Alptraum, der ihm die Brust zuschnürt. Er schließt die Augen und vorsichtig, ganz vorsichtig
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