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Warum ausgerechnet Du

Warum ausgerechnet Du

Titel: Warum ausgerechnet Du
Autoren: Peggy Moreland
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1. KAPITEL
    Hätte man ihn um eine kurze Selbstbeschreibung gebeten, dann hätte Gil Riley sich als einen einfachen, geradlinigen Menschen bezeichnet. Er liebte abgetragene, ausgeblichene Jeans und kaltes Bier. Und was Pferde und Frauen anging, so schätzte er es, wenn sie sanft waren, aber nicht ohne Temperament.
    Dem Alter nach gehörte er eigentlich zu der Generation, die den traditionellen Werten wenig Bedeutung beimaß, Arbeit als lästig betrachtete und nach dem Motto lebte: „Alles ist okay, solange es Spaß macht”. Doch Gil passte nicht recht in dieses Schema. Für ihn war die Familie das Höchste überhaupt, seine Mutter war für ihn ein Engel und sein Vater der weiseste Mann, den er kannte. Er war der Überzeugung, dass harte Arbeit einen Mann besser machte, er behandelte Frauen mit Respekt, so wie man es ihn gelehrt hatte, und er tat niemals etwas, ohne vorher die Konsequenzen in jeder möglichen Richtung gründlich zu überdenken.
    Umso mehr wunderte er sich jetzt, was ihn dazu veranlasst hatte, sich in diesem stickigen Raum voller Aufschneider, Schmeichler und aufdringlicher Frauen aufzuhalten.
    Ich tue es aus purem Pflichtbewusstsein, sagte Gil sich und fuhr fort, Hände zu schütteln, die ihm eifrig entgegengestreckt wurden. „Freut mich, Sie kennen zu lernen”, sagte er, ohne jedoch seinen Schritt zu verlangsamen. Denn er befürchtete, wenn er das täte und man ihn daraufhin nur noch ein einziges Mal um einen Gefallen bitten würde oder er die unerwünschte Aufmerksamkeit einer Frau von sich ablenken müsste, dann würde er …
    Nun, er wusste nicht, was er dann tun würde, aber ganz sicher wäre es etwas so Schockierendes, dass man es am nächsten Tag auf den Titelseiten der Zeitungen lesen könnte.
    Gil hatte inzwischen das Gefühl, als habe sich sein Lächeln für alle Zeiten in sein Gesicht eingegraben; und seine Krawatte fühlte sich mittlerweile an wie die Schlaufe eines Henkerseils.
    Auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit, blickte er zur anderen Seite des Raumes und entdeckte eine Schwingtür.
    Allerdings hatte er noch keine zwei Schritte in diese Richtung gemacht, als eine fleischige Hand ihn von hinten am Arm packte und festhielt. Gil gab sich die größte Mühe, sich nichts von seiner mangelnden Begeisterung anmerken zu lassen, und drehte sich um.
    Ein kahlköpfiger Mann mit einem breiten Lächeln im Gesicht, einer Figur wie ein Whiskeyfass und einer pferdegesichtigen jungen Frau am Arm blickte zu ihm hoch.
    „Hatten Sie schon das Vergnügen, meine Nichte Melanie kennen zu lernen, Sir? Sie ist die älteste Tochter meines Bruders und aus Kalifornien zu Besuch hier.”
    Noch eine, die sich Hoffnungen macht, First Lady von Texas werden zu können, dachte Gil entnervt. Es war zum Verrücktwerden. Als Junggeselle und Gouverneur von Texas hatte er im Lauf des vergangenen Jahres mehr Anträge erhalten als eine Lady des horizontalen Gewerbes ihr ganzes Leben.
    Am liebsten hätte er der Nichte des Onkels zu verstehen gegeben, dass die Gerüchte um seine angebliche Homosexualität wahr seien, doch sein Anstand und seine gute Erziehung zwangen ihn dazu, ihr die Hand zu reichen.
    „Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Miss Melanie”, sagte er höflich.
    „Sie hat letztes Frühjahr ihren Abschluss an der ,Stanton University’ gemacht, und zwar mit Auszeichnung”, teilte ihr Onkel ihm prahlerisch mit. „Schönheit gepaart mit Verstand, das findet man heute selten bei einer Frau.” Mit eifrigem Nicken versetzte er die verschiedenen Schichten seines Doppelkinns in heftige Schwingungen.
    Behutsam befreite Gil seine Hand aus Miss Melanies Klammergriff. „Ja, das kann man wohl sagen, nicht wahr?” erwiderte er ohne Überzeugung.
    Irgend jemand rief seinen Namen vom anderen Ende des Raumes, und Gil schaltete sein Lächeln noch eine Stufe höher und winkte Onkel und Nichte zu. „Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.” Er bedachte Miss Melanie mit einem besonders freundlichen Blick. „Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Aufenthalt in Texas.” Nach diesen Worten tauchte er in der Menge unter.
    Bald darauf stand Gil vor der Schwingtür, die er zuvor schon ins Auge gefasst hatte. Er blickte zurück, um sicher zu sein, dass niemand seinen Abgang beobachtete. Sein Leibwächter war schon auf dem Weg zu ihm, aber er gab ihm ein Zeichen, dass er nur kurz frische Luft schnappen wolle, und drückte die Tür auf.
    Als die beiden Türflügel hinter ihm zusammenschlugen, stieß er einen
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