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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Halbkreis um ihn herum, und hinter ihnen hat sich ein weiterer, größerer Halbkreis gebildet: die Gaffer, die katholischen Schuljungen mit den Ledertaschen über der Schulter. Die Jungs schauen nur aus dem Augenwinkel zu, die Körper halb abgewandt, falls sie plötzlich um ihr Leben rennen müssen.
    Curtis fährt sich mit der Zunge über die obere Zahnreihe. Er geht ganz nah an Vladimir heran und atmet ihm sanft ins Gesicht. »Her mit dem Scheiß«, sagt er.
    Vladimir bewegt sich wie in Honig getaucht. Aus der Hosentasche holt er eine Geldklammer – ein dünnes Bündel Zehner steckt darin – und reicht sie Curtis. Er greift erneut in die Tasche, kramt darin herum und stülpt sie nach außen. Eine weiße Zunge hängt aus der Hose, die Spitze mit Fusseln besetzt. Mehr hat er nicht: eine Geldklammer und ein paar Flusen.
    »War das Trikot teuer?«, sagt Alfredo. Er befühlt den Stoff zwischen den Fingern. »Hast du das von eBay? Was haben die Air Jordans gekostet?«
    »Zieh die Schuhe aus«, sagt Curtis.
    Vladimir hockt sich hin wie ein Fänger beim Baseball, um die Schnürsenkel seiner Sneaker zu lösen. Blonde Locken kommen unter seiner Kappe zum Vorschein. Er müsste sich mal den Nacken ausrasieren, denkt Alfredo. Er packt den Jungen am Hemd und zieht ihn hoch. Armer Vladimir. Es ist sein erstes Spiel und er weiß nicht, auf wen er hören, wann er sich hinhocken oder aufstehen soll.
    »Ich hol mir eigene Schuhe«, wispert Alfredo. »Aber das Ecstasy. Würdest du bitte einem dieser schwarzen Typen das Ecstasy geben?«
    Vladimir zieht die andere Hosentasche auf links. Ein Bund Haustürschlüssel an einer schmuddeligen Hasenpfote fällt zu Boden. Gefolgt von einem silber-schwarzen Mobiltelefon und etwas Kleingeld. Die Münzen klimpern auf dem Gehsteig. Vladimir sieht nach unten. Er riecht schwach und süßlich nach Metall, wie eine geöffnete Limodose, die über Nacht stehen gelassen wurde. Seine Hände sind ruhig, aber die Augen sind jetzt feucht.
    »O Mann«, sagt Winston.
    Curtis holt zu einem linken Haken aus, boxt ihm in die Rippen. Man hört ein dumpfes phfft , das Geräusch einer Bowlingkugel, die auf Sand landet. Vladimir geht in die Knie. Seine Stirn küsst den Gehsteig. Mit einer Hand hält er sich den Brustkorb, mit der anderen klatscht er unter sich auf das Pflaster.
    »Los«, sagt Winston. »Wir sollten jetzt besser mal gehen.« Mit einer kreisförmigen, unbewussten Bewegung reibt er sich die Brust, verteilt dabei unwillentlich Hühnerfett auf seinem T-Shirt. »Vielleicht sollten wir einfach mal abhauen.«
    »Halt’s Maul«, sagt Curtis. Er steckt die Hände in Vladimirs Gesäßtaschen, sieht in seiner Kappe nach und schmeißt sie, nachdem er nichts darin gefunden hat, auf die Straße. Er beugt sich hinunter und geht mit einem gekrümmten Finger in Vladimirs Socken, tastet an Knöcheln und Fersen des Jungen herum. Die Vergeblichkeit der Suche, von ihrer Intimität, dem Hautkontakt, ganz zu schweigen, scheint Curtis peinlich zu sein. Als er sich aufrichtet, stößt er Vladimir vor die Schulter. »Zieh die Hose aus«, sagt er. »Geh in die Hocke.«
    »Komm schon«, sagt Alfredo. »Nicht in seinem Arsch.«
    Curtis grinst. »Seht ihr? Dermaßen bescheuert bin ich. Ich kenn mich damit nicht aus. Sag’s mir, Alfredo. Bitte. Wo ist das E?«
    Sie schauen sich um. Als niemand darauf achtete, haben sich die High-School-Gaffer aus dem Staub gemacht. Diese Kinder haben Geld, haben Eltern, die sechstausend pro Jahr für die Schule lockermachen, aber es sind immer noch Stadtkinder – sie wissen genau, wie lange sie zuschauen können und wann es ratsam ist, sich zu verdünnisieren. War bloß eine Frage der Zeit, bevor der dürre Schwarze mit den Knochenfäusten seine Frage an sie gerichtet hätte, also sind sie abgehauen. Möglicherweise um Hilfe für den fiependen Vladimir zu holen.
    »Hey Winston«, sagt Curtis, noch immer grinsend. »Wo ist das E?«
    Alfredo überlegt, ob er seine Brille wieder aufsetzen soll, aber es scheint unnötig. Er kneift die Augen zusammen und sieht gar nichts. Dieses lange Stück Gehsteig ist offenes Terrain, ohne scharfe Kurven oder Gassen. Und weil sie vor einer Schule stehen, unmittelbar im Halteverbot, parken auch keine Autos in der Nähe. Keine Reifen oder Stoßstangen, wo ein X-Vorrat verstaut sein könnte. Wenn Vladimir die Drogen nicht bei sich trägt, hat er überhaupt keine. Alfredo reibt sich die überanstrengten Augen.
    »Ich finde, wir sollten hier abhauen«, sagt
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