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Die Meerjungfrau

Die Meerjungfrau

Titel: Die Meerjungfrau
Autoren: Carter Brown
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Hund.
    Der Große Mann verfügte über
eine Suite von Büros im neunundzwanzigsten Stock. Ich trat in einen
Empfangsraum, der, wenn auch nicht gerade mit Nerz ausgelegt, doch in einer
ähnlichen Preisklasse rangierte und sehr hübsch war. Ein dicker, breiter
weizenfarbiger Teppich erstredete sich vom Aufzug bis zu der Doppeltür mit den
Mattglasscheiben, auf der mit goldenen Buchstaben die Inschrift Cyrus K. Millhound , Privat stand.
    Ich stapfte über den Teppich zu
dem aus Chrom und Glas bestehenden Empfangstisch, der zwischen mir und Privat stand. Hinter dem Tisch saß ein
kühl aussehendes dunkelhaariges Mädchen in einem schwarzen Wollkleid, das
liebevoll seine Rundungen umschmiegte . Aber dies
wurde mir beim ersten Blick nicht bewußt. Es dauerte eine Weile, bis meine
Augen diesen Bezirk erreichten, denn die Glasplatte des Tisches enthüllte einem
Schaukasten gleich ein Paar vollkommener Beine und einen Rock, der — wie ich
hoffte — mit unbekümmerter Schamlosigkeit hochgezogen worden war. Als ich
schließlich bei ihren Augen angelangt war, hatte ich nicht das Gefühl, daß
irgendwelche Ruhepausen, die ich dazwischen eingelegt hatte, verschwendet
gewesen waren.
    »Ich möchte gern Mr. Cyrus K. Millhound sprechen«, sagte ich.
    Sie blickte mich ungefähr zehn
Sekunden lang in Gedanken verloren an.
    »Warum warten Sie damit nicht,
bis die Sonne scheint?« fragte sie.
    »Mein Name ist Royal«, sagte
ich, als ob das für sie irgend etwas bedeuten konnte.
    »Da soll ich wohl auf die Knie
fallen?« sagte sie gleichgültig. »Mr. Royal, wenn Sie mit Mr. Millhound keinen Termin vereinbart haben, so ist es
zweifelhaft, ob Sie ihn zu Gesicht bekommen. Ohne Termin...«
    »Ich komme in einer dringenden
Angelegenheit«, sagte ich. »Es handelt sich um einen Mord.«
    Ein Lächeln trat zaghaft auf
ihre Lippen, nahm die Gelegenheit wahr und verharrte dort.
    »Warum haben Sie das nicht
gleich gesagt?« fragte sie. »Sie wollen Mr. Standish sprechen — er ist ein
Stockwerk tiefer.«
    »Danke«, sagte ich.
    Ich ließ ihr mein bewunderndes
Lächeln zukommen — das, welches zugleich mit der Größe meiner Augen zunimmt,
während sie vom Scheitel des Gegenübers bis zu den Schuhspitzen hinabgleiten.
Es handelt sich dabei um einen Aufweichungsprozeß ,
der Wunder wirkt — manchmal wenigstens.
    »Muß ich einen Termin
vereinbaren, um Sie wiederzusehen?« fragte ich leise.
    »Ein sechsstelliges Bankkonto
genügt«, sagte sie. »Rufen Sie mich an, wenn Sie Ihren dritten Cadillac gekauft
haben — neuestes Modell, natürlich.«
    »Ich werde Ihnen dann
schreiben«, sagte ich. »Anrufen können Sie mich.«
    Ich fuhr im Aufzug einen Stock
tiefer, und dort befand sich ein weiterer Empfangstisch mit einem weiteren
dunkelhaarigen Mädchen dahinter, dessen Rock keineswegs hochgezogen war. Ich fühlte
mich enttäuscht.
    »Mein Name ist Royal«, sagte
ich. »Ich möchte Mr. Standish sprechen.«
    »Hatten Sie einen Termin mit
ihm vereinbart?« fragte sie mit mürrischer Stimme.
    »So was tue ich nur mit meinem
Zahnarzt«, sagte ich. »Ich habe die Sache nun seit sechs Monaten
hinausgeschoben. Aber heute ist schöner, klarer Sonnenschein, man sieht
kilometerweit.«
    »Verzeihung!« sagte sie
verdutzt.
    »Ein Tag, an dem ich mit
einigem Glück sogar Mr. Standish sprechen kann. Ich bin darauf vorbereitet. Ich
habe meine dunkle Brille mitgebracht, damit ich vom Glanz seiner Anwesenheit
nicht geblendet werde.«
    Sie preßte den Rücken gegen die
Lehne ihres Stuhles, offensichtlich bemüht, so weit wie möglich von mir
abzurücken. Ich konnte mir nicht vorstellen, warum.
    »Mr. Standishs Büro ist am Ende
des Korridors«, sagte sie nervös. »Die letzte Tür rechts. Tun Sie mir einen
Gefallen. Ja? Verraten Sie ihm nicht, daß ich Sie hereingelassen habe.«
    »Sie haben nicht zufällig eine
Zwillingsschwester im nächsten Stock oben?« fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein,
ich esse nur manchmal meinen Lunch dort, wenn Mr. Millhound nicht da ist. Die letzte Tür rechts, Mr. Royal.«
    »Danke«, sagte ich.
    Ich ging bis zum Ende des
Korridors und stellte fest, daß neben der letzten Tür rechts ein rotes Licht
brannte. Ich fand, daß United sich eigentlich zumindest die üblichen Glühbirnen
an ihren Büros hätte leisten können, aber vielleicht war beim Fernsehen der
Geschäftsgang wirklich so miserabel.
    Ich öffnete die Tür und trat
ins Halbdunkel.
    »Verdammt noch mal, die Tür
zu!« brüllte eine Stimme. »Wissen Sie denn nicht, daß
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