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Ice Ship - Tödliche Fracht

Titel: Ice Ship - Tödliche Fracht
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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    Isla Desolación
      
    16. Januar, 13.15 Uhr
    Das namenlose Tal verlief zwischen kahlen Hügeln, eine lang gestreckte, mit spirrigem Moos, Flechten und Trockengräsern bedeckte grau-grüne Fläche. Es war Mitte Januar, der Höhepunkt des Sommers, das Fettkraut in den Spalten und Kerben der Felsformationen stand in voller Blüte. Im Osten erstrahlte die Wand eines Schneefelds in unergründlich tiefem Blau, Kriebelmücken und Moskitos schwirrten durch die Luft. Der Sommernebel, der die Isla Desolación gewöhnlich einhüllt, war aufgerissen, das Tal badete eine Weile im wässrigen Sonnenlicht. Ein Mann kam langsam über das steinige Flachland, blieb stehen, ging weiter, blieb abermals stehen. Er folgte keinem Pfad – auf den Inseln am Kap Hoorn, im äußersten Süden von Südamerika, gibt es keine Pfade. Nestor Masangkay trug abgewetztes Ölzeug und einen speckigen Lederhut. Sein schütterer Bart war so vom Meersalz verklebt, dass er ihm in einzelnen Strähnen herunterhing, die bei jedem Schritt wie Lämmerschwänze wackelten. Niemand hörte, wie er die beiden Maulesel verfluchte – ihrer Herkunft, ihres Charakters, ja sogar ihrer bloßen Existenz wegen – und das Ganze von Zeit zu Zeit durch einen Hieb mit dem Knotenstock unterstrich. Er mochte Maulesel nicht, gemietete schon gar nicht. Aber seine Flüche klangen nicht ärgerlich, und die Hiebe fielen nicht sonderlich derb aus. Masangkays innere Erregung wuchs. Sein Blick schweifte über die Landschaft und sog alle Details in sich auf: den Basaltabbruch, der knapp zwei Kilometer vor ihm wie eine mächtige Säule aufragte, den Vulkanpfropf mit seinen zwei Schloten und das Schichtgestein, das ungewöhnlich offen zu Tage lag. Die Geologie war wirklich vielversprechend. Er folgte, den Blick auf den Boden gerichtet, weiter dem Verlauf des Tals. Hin und wieder trat er mit den Nagelstiefeln einen kleinen Felsbrocken los. Dann zitterte sein schütterer Bart ein wenig mehr, ein aufgeregter Grunzlaut drang aus seiner Kehle, doch die Tragtierkolonne zog stetig weiter. Etwa in der Mitte des Tals trat er wieder einen Stein los. Diesmal blieb er jedoch stehen und hob ihn auf. Er inspizierte ihn gewissenhaft. Das Gestein war so weich, dass winzige Partikeln an seiner Haut haften blieben, wenn er mit dem Daumen daran rieb. Er hielt sich den Brocken vors Gesicht, um ihn mit einer Juwelierlupe zu untersuchen: ein mürbes, grünliches Mineral mit weißen Einschlüssen. Er erkannte sofort, dass es Coesit sein musste. Zwölftausend Meilen weit war er gereist, um diesen hässlichen, wertlosen Stein zu finden. Sein Gesicht zerfloss zu einem breiten Grinsen, er riss die Arme gen Himmel und stieß ein frenetisches Freudengeheul aus. Die Hügel warfen das Echo zurück, es schien hin und her zu irren, bis es schließlich verhallte. Sein Blick suchte die Erhebungen ab, nahm das Schwemmmuster der Erosion wahr, kehrte zum vulkanischen Schichtgestein zurück, um sich dann wieder auf den Boden zu richten. Er führte die Maulesel ein Stück weiter, so etwa einen Meter, trat noch einmal einen Stein los und drehte ihn mit der Stiefelspitze um, tat dasselbe mit einem zweiten, einem dritten und einem vierten – alles Coesit, das Tal war praktisch damit gepflastert. Am Rand des Schneefelds ragte ein großer, glatt geschliffener erratischer Gletscherfindling aus der Tundra, dorthin führte er nun die Maulesel und band sie fest. Dann ging er bedächtigen, erwartungsvollen Schrittes zurück in die Ebene, riffelte mit den genagelten Sohlen der Stiefel den Boden, sammelte Steine ein und entwarf im Geiste eine Karte von der Ausdehnung des Coesit-Vorkommens. Es war unglaublich, seine kühnsten Hoffnungen wurden übertroffen. Masangkay war mit recht realistischen Erwartungen auf diese Insel gekommen, wusste er doch aus Erfahrung, dass Legenden, die man sich in abgelegenen Gegenden erzählt, selten halten, was sie versprechen. Er erinnerte sich an die verstaubte Museumsbibliothek, in der er zum ersten Mal auf die Legende von Hanuxa gestoßen war, glaubte, den Modergeruch der zerfledderten anthropologischen Monografie noch in der Nase zu haben und die verblassten Abbildungen von längst ausgestorbenen Indianern und ihren Gerätschaften vor sich zu sehen. Anfangs hatte ihn das kaum beeindruckt. Von New York City nach Kap Hoorn war es ein verdammt weiter Weg. Und sein Instinkt hatte sich in der Vergangenheit oft als trügerisch erwiesen. Aber nun war er eben doch hier. Um den Lohn für sein Lebenswerk
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