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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin
Autoren: Sabine Weigand
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nicht in markgräflichen Landen bleiben, denn wenn mein Bruder je erfahren sollt, dass ich und ein zweites Kind davongekommen, so wäre unser Leben keinen Pfifferling mehr wert gewesen. Ich wollt zunächst zu meiner Verwandtschaft in den Norden,
hab aber, wiewohl die Sach vernünftig gewesen wär, an dem Gedanken keine Freud gehabt. Item da haben mich meine treue Kätha und ihr welscher Maler gefragt, ob ich etwan mit ihnen und dem Buben nach Süden ziehen wollt, dahin wo die Sonne scheint und kein Winter die Menschen mit Eis und Schnee drückt. Nach langem Nachsinnen hab ich mich dartzu entschlossen. Denn auch zu Küstrin oder Brandenburg wär ich niemals frei und ledig gewesen. Item aber im welschen Land, wo mich keiner anders kennt denn als Witwe mit Kindlein, würd es niemand geben, der über uns bestimmt oder über uns urteilt. Was ich als junges Weib geträumt, könnt ich dort haben: Kein Mann, kein Vater oder Bruder würd mir mein Leben vorschreiben. Das war mir selbst bittre Armut wert.
    Als wir weitergezogen, hat meine liebe Susanna nicht mit uns in die Fremde gehen wollen. Sie ist allda im Kloster geblieben und wir haben sie unter vielen Tränen zurückgelassen. Sie hat sich als Andenken an mich und das Kindlein einiges Klöppelzeug ausbedungen, was ich ihr gern, aber traurig gewährt hab.
    Wir sind wegen mir und des kleinen Jakob langsam gereist, und mit jedem Tag, den wir uns von der Plassenburg entfernten, wurd mein Hertz leichter. Gelebt haben wir von den Silbergulden, die ich von dem Deputat, das mir mein seliger Bruder Georg nachgelassen hat, erspart und mitgenommen hab, und von dem, was der gute Lorenzo zu Plassenberg hat verdienet. So
haben wir zu Nürnberg ein Pferd mit Wagen erkauffet, das uns treulich bis hin zum grossen Gebirg und hinüber gebracht hat. Welch Majestät der Landschafft! Solch hohe Berge kannt ich nie, und sie machten mir und Kätha doch rechte Angst, besonders als wir über den Pass Brenner reisten und Regen und Gewitter über uns hereingebrochen wie die Schrecken der Finsternis. Doch dann kamen wir endlich ins Welsche, und, ich kann Euch wohl sagen, lieber Vater, dass ich nie ein schöners Land gesehen. Die Luft ist tags warm und nachts mild, dabei ist’s doch schon Herbst. Alles wächst und blühet noch, und die Menschen sind freundlich, wiewohl ich sie nicht versteh und nur einige welsche Worte herausbring.
    Als ich zum ersten Mal von einem Hügel aus das grosse weite Meer gesehen, musst ich lang weinen, aber nicht aus Trübnis, sondern weil ich ein Glück gespürt wie lang nicht mehr.
    Nunmehr sind wir in der Stadt Venezia, die wirklich mitten ins Wasser gebaut ist, so dass es jetzt auch der Hansi glaubt. Bis wir wissen, wovon wir leben, haben uns alte Freunde des Malers aufgenommen, ich verkauf Geklöppeltes, und so Gott will wird alles gut gehen. Der kleine Jakob ist gesundt und munther; ich geh jeden Tag mit ihm ans Meer, damit er es lieben lernt, wie ich es jetzt schon lieb. Wenn er alt genug ist, will ich ihm von seinem Vater erzählen.
    Bester Vater Thiel, item dieser Brief ist der einzige,
den ich schreiben werd. Solang mein Bruder Albrecht lebt, darf er nicht von uns erfahren. Ich bitt Euch, verbrennt dies Schreiben, wenn Ihr es gelesen. Ich dank Euch für das, was Ihr uns gethan habt und wünsch Euch Gottes Segen auf all Eurem Thun. Lebt Wohl.
     
    Geschrieben mit unser eigen Hand zu Venezia,
am Tag Dionysii anno 1554
Barbara ehemals Markgrefin zu Brandenburg

Schluss
    Kulmbach, 6 .Januar 2003
    Pfarrer Kellermann wohnte in einem bescheidenen kleinen Häuschen im Spiegel, dem Kulmbacher Stadtteil, der sich bis weit in die Wolfskehle hineinzog, eine tief eingekerbte, enge Schlucht zwischen dem Plassenberg und dem Rehberg. Wie der Name schon sagt, diente dieser unwegsame und unwirtliche Einschnitt bis weit ins achtzehnte Jahrhundert hinein den Wölfen und anderen heimischen Tieren als natürliches Rückzugsgebiet. Heute war allerdings nichts mehr davon zu spüren, und keinem Kulmbacher lief mehr ein eisiger Schauer über den Rücken, wenn er mit dem Auto die schmale Straße durch die Schlucht nahm oder vom Spiegel aus ein paar Meter in den Wald hineinspazierte. Nur Gregor Haubold dachte jedes Mal an die Wölfe, wenn er über den Spiegel Richtung Wolfskehle fuhr; er sah die hungrigen Rudel förmlich vor sich, wie sie in eisiger Nacht einen einsamen Händler oder Boten auf dem Weg nach Trebgast belauerten, sich Nachrichten zuheulten und schließlich die Todeshatz
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