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Franz Liszt

Franz Liszt

Titel: Franz Liszt
Autoren: Oliver Hilmes
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PROLOG
    L iest man das Wort Superstar, denkt man vielleicht an die Beatles, die Stones oder an moderne Popstars wie Michael Jackson oder Madonna. Den Liebhabern klassischer Musik kommen andere Namen in den Sinn: Ob Maria Callas, Vladimir Horowitz, Herbert von Karajan, Lang Lang, Anna Netrebko oder Luciano Pavarotti – sie alle sind bis heute Superstars.
    Ein Superstar wird von seinen Fans für seine Fähigkeiten geliebt und als Person mitunter abgöttisch verehrt. Als Vladimir Horowitz beispielsweise im Mai 1965 nach zwölfjähriger Bühnenabstinenz sein Comeback ankündigte, standen die Menschen an den Kassen der New Yorker Carnegie Hall Tag und Nacht Schlange, um eines der erlösenden Tickets zu ergattern. Unmittelbar vor dem Konzert kam es zu Tumulten, die Straßen rund um das Gebäude mussten gesperrt werden, und das Erscheinen des 61-jährigen Pianisten löste eine quasireligiöse Ekstase aus. Der Erfolg war gigantisch – kein Wunder, dass Horowitz in seinem Leben Millionen verdiente. Nur einer war in dieser Hinsicht noch erfolgreicher: Der stets geschäftstüchtige Maestro Herbert von Karajan soll bei seinem Tod im Juli 1989 ein Vermögen von – vorsichtig geschätzt – 450 Millionen Euro hinterlassen haben. Witwe Eliette nahm nach der Berechnung eines Wirtschaftsmagazins im Jahr 2005 auf der Liste der 100 reichsten Österreicher immerhin Platz 24 ein.
    Die Illustrierten und Klatschzeitschriften sind seit jeher die Verbündeten der Superstars. Es ist ein Geben und Nehmen: Die Journale kultivieren das Image der Superstars, die sich wiederum mit Interviews und exklusivem Bildmaterial erkenntlich zeigen. Maria Callas avancierte dank der Regenbogenpresse zur Stilikone der 1960er-Jahre, während sich Herbert von Karajan mit Vorliebe
am Steuer von Sportwagen und Privatflugzeugen als ruheloser und testosterongetriebener Jetsetter in Szene setzte. Neu ist diese Melange aus Musik, Medien und Moneten indes nicht. Im Jahr 2011 stehen der 200. Geburtstag und 125. Todestag eines Mannes auf der Agenda, der diese Mechanismen zwar nicht erfunden, aber wohl als Erster mit einer unerhörten Virtuosität bedient hat: Franz Liszt.
    Franz Liszt war ein Superstar, ein Genie, eine europäische Berühmtheit, kurzum: eine absolute Ausnahmeerscheinung. Bereits als Wunderkind faszinierte er in Wien, Paris und London sein Publikum. In späteren Jahren bereiste er ganz Europa und trieb seine Karriere in schwindelerregende Höhen. Die damalige »Yellow Press« – im 19. Jahrhundert sprach man von »bunten Blättern« – berichtete ausführlich über seine Konzerte und noch ausführlicher über seine zahlreichen Kapriolen, die das Liszt-Fieber zusätzlich anheizten. Die Begeisterung, die er mit seinen Auftritten auslöste, steigerte sich mitunter ins Delirium, und Franz Liszt war auch eine Projektionsfläche für erotische Fantasien und geheime Sehnsüchte.
    Innerhalb von nur gut acht Jahren gab er etwa 1000 Konzerte – eine unglaubliche Zahl. Liszt »erfand« den Beruf des international agierenden Konzertpianisten und spielte als Erster das gesamte damals bekannte Klavierrepertoire von Bach bis zu seinem Zeitgenossen Chopin – und zwar auswendig. Auch als Komponist und Instrumentator war Franz Liszt ein Revolutionär: Er schrieb bahnbrechende Werke, die der Tonkunst neue Ausdrucksmöglichkeiten eröffneten. Für den Musikkritiker Klaus Umbach ist Franz Liszt unter den Stammvätern der klassischen Musik ein Mammutbaum, »und die meisten, die heute als seinesgleichen auftreten und auch noch ernstgenommen werden wollen, sind nichts als Bonsais, die sich künstlerisch zum Großformat verrenken, unterstützt und abgesegnet von einer Kulturindustrie in Hochkonjunktur, die sich für keinen Schwachsinn zu schade ist«. 1

    Franz Liszt war aber auch ein Mann, der sich in immer neuen Rollen gewissermaßen selbst erfand: 1847 hängte er den Beruf des reisenden Virtuosen an den Nagel und ließ sich in der Kleinstadt Weimar nieder. Aus dem gefeierten Jahrhundertpianisten wurde ein Dirigent, Publizist, Vereinsfunktionär, Pädagoge und Intendant. War dieser Rollenwechsel noch nachvollziehbar, schüttelten die Menschen einige Jahre später verständnislos den Kopf: Franz Liszt erhielt im April 1865 die sogenannten Niederen Weihen und wurde katholischer Abbé mit zeitweiligem Wohnsitz im Vatikan. Von
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