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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin
Autoren: Sabine Weigand
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siegreichen Landsknechte waren vorzeitig ins Schloss eingedrungen, und sie hatten ihren Triumph vorher ausgiebig mit viel Wein und Bier gefeiert. Einer von ihnen hatte ein junges Soldatenweib angepöbelt und begrapscht, und Männer aus der Burgbesatzung, die dabei standen, waren ihr zu Hilfe gekommen. Ein Handgemenge hatte sich entwickelt, in dessen Verlauf der innere Torwart sein Messer gezogen und es dem erstbesten Bundesständischen in den Bauch gerammt hatte. Dann brach die Hölle los. Die bereits unbewaffneten markgräflichen Landsknechte wurden von den angetrunkenen Söldnern gnadenlos niedergemetzelt, Frauen und Kinder erlitten das gleiche Schicksal. Es
war der entsetzliche Schlusspunkt einer langen und blutigen Belagerung.
    Lorenzo Neri war schnell klar, dass die Lage außer Kontrolle geraten war. Er überlegte fieberhaft und kam zu dem Schluss, dass er allein den Frauen nicht helfen konnte, wenn der mordende Mob das Hochschloss erreichte.
    »Hansi, renn zum Hauptmann und frag ihn, was wir machen sollen. Er muss einen Weg finden, die Frauen zu schützen. Subito!« Er schubste den Jungen zur Tür hinaus.
     
    Zwei Minuten später stürmte Georg Thiel herein, gekleidet in eine schwarze Soutane und bewaffnet mit der Heiligen Schrift und einer hölzernen Christusfigur am Kreuz. »Ich habe mir gedacht, ein Geistlicher kann diese Barbaren vielleicht vom Schlimmsten abhalten«, schnaufte er und ließ sich atemlos auf einen Stuhl plumpsen.
    Susanna sah sich suchend im Zimmer um. Schließlich griff sie sich eine kleine Schere und ließ sie in ihrem Ausschnitt verschwinden. Dann schnallte sie den Gürtel mit ihrem Tafelmesser um, das sie zu den Mahlzeiten benutzte. »Nehmt eure Essmesser an euch«, wandte sie sich an die anderen beiden Frauen. »Vielleicht müssen wir sie gebrauchen. Mich kriegen die jedenfalls nicht so einfach.« Gemeinsam mit Lorenzo begann sie, die beiden Wäschetruhen und den
großen Tisch neben die Tür zu schieben, um notfalls schnell den Zutritt zur Kemenate verbarrikadieren zu können. Thiel half zwar nicht mit, tat aber das Seine, indem er anfing, auf Lateinisch zu beten.
    Zehn Minuten später flitzte mit hochrotem Kopf Hansi in die Kemenate.
    »Der Hauptmann ist weg.«
    »Maledizione!« Der Italiener fluchte. »Pezzo di merda, haut einfach ab, mi fa schifo!« Er lief mit großen Schritten im Zimmer auf und ab.
    »Aber ich weiß, wo er hin ist!« Hans baute sich mit schlauem Grinsen vor ihm auf.
    Lorenzo packte den Jungen an den Schultern. »Dimmi, dov’è andato? Wo ist er hin?«
    »In seinem Zimmer gibt es in der Holzwand eine geheime Tür, von der niemand gewusst hat. Er hat sie in der Eile offen stehen lassen, der Idiot. Ich hab mich ein Stück hineingetastet: Es muss ein Gang sein, der aus dem Schloss herausführt, ganz bestimmt. Den hat er genommen.«
    »Bravo, Giovanotto.« Lorenzos dunkle Augen blitzten. »Kommen die Frauen da durch?«
    Hansi nickte.
    Susanna und Kätha trugen in bebender Eile Leuchter und Kerzen zusammen und packten einige Bündel mit Wäsche und Kleidern, während Barbara das Baby fest in ein Tragetuch wickelte und sich um den Oberkörper schlang. Vom Schlosshof drangen erste
Schreie herauf. Während drunten die Ersten vom Schlossgesinde aus versteckten Winkeln gezogen und niedergemacht wurden, machte sich das Grüppchen hastig auf den Weg zu den Markgrafenzimmern. Lorenzo ging voraus, in der Mitte die Frauen und Hansi, und den Abschluss bildete Georg Thiel, der die protestierende Ziege an einem Seil hinter sich herzog.
    »Diavolo! Tatsächlich, das ist ein Fluchtweg«, stellte Lorenzo fest, nachdem er einen Leuchter angezündet und die ersten paar Meter des Ganges untersucht hatte. »Kommt.«
    Der Kaplan drückte Hansi die Leine in die Hand. »Beeilt Euch, und viel Glück.«
    »Kommt Ihr nicht mit, Vater Thiel?« Barbara fasste den Geistlichen am Arm. Der schüttelte den Kopf.
    »Mein Platz ist da, wo der liebe Gott mich hingestellt hat. Ich lasse meine Kapelle nicht im Stich.«
    Die Markgräfin sah, dass er entschlossen war. Sie ergriff seine Hand und küsste sie. »Gott vergelte Euch alles, was Ihr für uns getan habt. Lebt wohl, Vater.«
    Dann ließ sie sich von Kätha in den dunklen Gang ziehen.
    Thiel half Lorenzo dabei, die klemmende Schlupftür zu schließen: Sie schoben und zogen mit vereinten Kräften, bis das Paneel knackend ins Schloss fiel. Dann machte sich der Pfarrer auf den Weg zu seiner Kapelle. Vor der Frauenkemenate traf er auf zwei
Bankriesen,
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