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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin
Autoren: Sabine Weigand
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Lorenzo. Der riss sich los und trat zur Seite, während sich der Hauptmann hilfesuchend vom einen zum andern umsah.
    »So helft mir doch!« Sein Blick wurde irre. »Es kommt und holt mich, Jesus Maria und Josef! Du bist tot, du bist tot!« Er faltete die Hände, und fing an zu schluchzen. »Herrgott, straf mich nicht so! Ich hab’s nicht aus böser Absicht getan. Bitte … «
    Lorenzo stellte sich breitbeinig neben Susanna und das Kind. Seine dunklen Augen funkelten vor Hass und Abscheu. »Was habt Ihr nicht aus böser Absicht getan, Commandante?« Er sprach leise und deutlich, und im Raum wurde es still. Sogar das Baby hörte auf zu schreien und lutschte am Daumen.
    Leuchtenberg machte eine hilflose Geste und lächelte blöde.
    »Ich musste es doch tun. Er hat es so gewollt, nicht
ich. Was hätt ich denn machen sollen? Es war doch sowieso so gut wie tot, oder nicht?«
    Barbara durchflutete unbändiger Hass, ein Hass, wie sie ihn noch nie gespürt hatte. Sie hatte das Gefühl, über dem Boden zu schweben, als sie auf den Hauptmann zuging. Alles um sie herum schien auf qualvolle Art und Weise stillzustehen, erstarrt zu sein. Wie in Zeitlupe setzte sie Fuß vor Fuß, bis sie dem Mörder ihres Kindes gegenüberstand. Die beiden tauschten einen unendlich langen Blick.
    »Wie hast du ihn umgebracht?« Sie brachte nur ein Flüstern zustande.
    Auch er flüsterte. »Die … die Weiße Frau, erinnerst du dich? Sie hat … mit einer Nadel, ich … ich konnte es nicht anders. Bärbel, es hat so furchtbar geschrien … «
    Sie war nicht mehr fähig zu denken. Wann sie das Messer gezogen, wie oft sie zugestochen hatte, hinterher hätte sie es nicht mehr sagen können. Sie erwachte erst aus diesem blutigen, wilden Traum, als sein zuckender Körper vor ihr am Boden lag. Blutigrot drang es ihm aus Mund und Nase, sickerte an vielen Stellen durch sein Hemd. Sie starrte ihn atemlos an, während Krämpfe ihn schüttelten, bis jegliches Leben mit dem Blut aus ihm geströmt war.
    Sie rieb das Messer, dem nun die Spitze fehlte, jenes Messer, das auch Jakob Tiefenthalers Leben beendet hatte, sorgfältig an ihrem Mantel ab und steckte es zurück
in die Scheide. Dann sank sie auf die Knie und weinte, weinte um Georg, um sich selbst, um Jakob, um das Kind. Die Tränen flossen, als ob sich endlich eine Schleuse aufgetan hätte, krampflos und entspannt, wie ein Strom der Erleichterung.
    Jetzt, erst jetzt war sie zum Frieden bereit.
     
    Noch vor Einbruch der Dunkelheit verließen die sechs Flüchtlinge den Geheimgang und machten sich zu Fuß auf den Weg nach Süden. Die Landschaft war menschenleer, und sie kamen an Bauernhöfen und Häusern vorbei, in denen keine Menschenseele mehr lebte. Sie hatten beschlossen, sich zunächst bis zum Kloster Himmelkron durchzuschlagen, wo man ihnen sicherlich Schutz bieten würde. Dann würden sie entscheiden, wie alles weitergehen sollte.
    In der Ferne hinter ihnen rötete sich der Himmel über der Plassenburg. Hansi sah es als Erster, hielt das Grüppchen an und zeigte mit ausgestrecktem Arm in die Richtung, aus der sie kamen. »Schaut!«
    Lorenzo und Kätha standen Hand in Hand, neben ihnen die Markgräfin mit dem schlafenden Kind auf dem Arm. Susanna kniete sich neben die Ziege, die am frischen Gras knabberte. Wortlos sahen sie zu, wie die Burg brannte und der Feuerschein den Abendhimmel blutigrot färbte. Das Alte ging unter, und ein neues Leben konnte beginnen.
    Brief der Markgräfin Barbara von Brandenburg an
Georg Thiel, Venedig, 9 .Oktober 1554
     
    Barbara etc. an den Kaplan und Pfarrer Georgen Thieln zu Plassenberg, Culmbach oder wo ihn der Bote finden möge
     
    Gott grüß Euch lieber getreuer Freund ich verhoff, dass der Bote Euch bei guther Gesundheit findet. Item ich will Euch nicht verhehlen, wohin uns nach dem furchtbarn Tag, da das Schloss Plassenberg erstürmt worden, das Schicksal geführt und was sich zugetragen. Gott mög’s mir vergeben, wenn er kann, aber ich hab den Mörder meines Sohnes noch am Tag der Flucht durch den heimlichen Gang daselbsten seiner gerechten Strafe zugeführt. Der Vater im Himmel sei ihm und mir gnedig, denn ich kann nicht bereuen was ich gethan.
    Item unser Weg führte uns zuerst nach Himmelkron zu den Zisterzienserschwestern, die uns mit Freuden aufnahmen. Allda im Kloster sind wir drei Tage geblieben, zum einen, weil ich von Anstrengung und Aufregung geschwächt einige Zeit ruhen hab müssen, zum andern, weil wir nicht wussten, wohin. Das Kind und ich konnten
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