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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin
Autoren: Sabine Weigand
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den Decken nieder und streckte sein Holzbein von sich. Dann schraubte er den Verschluss des großen ovalen
Behälters auf und roch am Inhalt. Wein! Der Hauptmann trank vorsichtig seinen ersten Schluck nach so vielen Wochen der Enthaltsamkeit. Es war zwar ein miserabler Tropfen, den jemand versucht hatte, durch Zugabe von Alant und Honig etwas genießbarer zu machen, aber Leuchtenberg rann er wie eine köstliche Mischung aus Nektar und Ambrosia durch die Kehle. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, trank und wartete.
    Kurze Note des Kommandanten Heinrich von Plauen
an die Einungsverwandten Nürnberg, Würzburg
und Bamberg, 21 .Juni 1554
     
    Gottes Gruß zuvor, edle Herren vom Rath zu Nürnberg, Bischöf und Kollegien zu Würtzburg und Bamberg, so ist am heutigen Donnerstag vor Johann Baptiste die Capitulation der Markgräflichen zu Plassenberg geschehn, gelobt sei Gott. Als die tapfern und siegreichen Landsknechte das Schloss gestürmet, waren nur mehr wenig von der Besatzung dort. Wiewohl jeglichs Hauen und Stechen verboten war, kam es doch zu einigem Scharmützel, wobei noch etliche Markgräfliche den Todt fanden. Im Schloss selbst war kein Scheffel Korn mehr zu finden und auch sonst nichts an Vorräthen. Wir haben viel an Waffen, als da warn Hakenbüchsen, schwere und leichte Stückh, Spieße und
mehr, erbeuthet, aber kaum noch Munition, wovon wir eine Aufstellung mitschicken. Auch ist uns alles an Urkunden, Brieffen und andern Schriftstückhen in die Hände gefallen, was die Markgrafen bishero im Plassenburger Gewelb aufgehoben, sowie ein gut Teil eines kostbarn Eingehörns. Wie es Euer ernstlich Befehl ist, insbesonders der Eure, Bischof Weigandt zu Bamberg, so werden meine Kriegsleut nach Beendigung des Plünderns alle Wehren schleifen und das Kleinod des Hauses Brandenburg zertrümmern, in Asche legen und die Bronnen vergiften.
     
    In Eile und Freud siegreich gegeben zu Plassenberg,
den Donnerstag vor Joh. Bapt. Anno 1554
Heinrich von Plauen etc., Kommandant der
einungsverwandten Truppen
     
    P.S. Item was den ehrlosen Gesellen Landgraf Georgen von Leuchttenberg, vormaligen Hauptmann auf dem Gebirg und Kommandanten der Plassenburg betrifft, so hat er sich nicht in unsre Hand begeben, sondern sich vor der Besetzung aus dem Schlosse davongemacht. Wir glauben, dass der feige Wicht wie ein einfacher Landsknecht die Burg verlassen und dann die Flucht ergriffen hat. Auch von der Schwester des Markgrafen, die der Alcibiades wie es heisset angeblich seit vielen Jahrn auf der Burg in Verschluss gehalten, haben wir keine Spur finden können.

Plassenburg, 21 .Juni 1554
    Gegen elf Uhr war die Evakuierung der Burg in vollem Gange. Nur noch drei- bis vierhundert Menschen hielten sich in Zwinger und Vorhof auf, und das Hochschloss war so gut wie menschenleer. Im Frauenzimmer saßen die Markgräfin und ihre beiden Zofen vor den Fenstern und beobachteten, was draußen vor sich ging. Alles befand sich in Auflösung. Barbara hatte den kleinen Jakob im Arm, der mit ihrem Daumen spielte.
    »Denkt nur, Herrin, wenn es Mittag schlägt, seid Ihr frei!« Kätha versuchte, die Markgräfin aufzuheitern, die seit dem Moment, als ihr das Kind genommen worden war, nichts gegessen und kaum ein Wort gesprochen hatte.
    »Und wir auch«, fügte Susanna an.
    Auf Barbaras Gesicht zeigte sich der Anflug eines resignierten Lächelns. »Sie kommen einen Tag zu spät, die Bundesständischen.«
    Kätha stand auf. »Nicht für Jakob«, sagte sie und strich sanft über das Köpfchen des Säuglings. »Er wird leben.«
    »Nur wenn Albrecht nichts von ihm erfährt.« Lorenzo Neri war unbemerkt hereingekommen – draußen vor der Kemenate stand kein Wächter mehr. »Wir müssen sehr vorsichtig sein, alle. Keiner darf wissen, wer das Kind ist.«
    Der Maler hatte nichts davon hören wollen, die Burg zusammen mit all den anderen zu verlassen. »Angelina«, hatte er gesagt und sich in die Brust geworfen, »ich gehe nicht ohne dich. Wenn du bei der Marchesa bleiben willst, dann passe ich eben auf euch alle auf, basta. Ihr braucht doch einen starken Mann, der euch beschützt, eh?«
    Der zweite Beschützer, der sich eingestellt hatte, war Käthas Bruder Hansi. Er hockte neben der Ziege im schmutzigen Stroh und kraulte das Tier hinter den Ohren. Gemeinsam wollten sie alle warten, bis die Bundesständischen ins Hochschloss kamen, und sich dann dem gegnerischen Kommandanten in die Hand geben.
    Plötzlich brach im Vorhof ein Tumult aus. Die ersten
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