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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin
Autoren: Sabine Weigand
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die ihm mit gezogenen Dolchen entgegenliefen. Einer von ihnen fasste ihn unsanft an.
    »Hast du die Markgräfin gesehen, Pfaff?«
    Der Kaplan schüttelte geistesgegenwärtig den Kopf. »Nein, ich suche sie selber schon seit einer Stunde. Vielleicht hat sie das Schloss bereits verlassen.«
    Der Mann ließ los, und Thiel ging weiter. Er hörte noch, wie einer der gedungenen Mörder sagte: »Komm schon, Wilfried, lass uns verschwinden. Die ist längst weg. Was soll’s, wir haben unser Geld. Der Markgraf soll uns den Buckel runterrutschen.«
    In der Kapelle angekommen, sprach Georg Thiel ein Dankgebet. Dann wartete er darauf, dass die Besatzer kamen.
     
    Georg von Leuchtenberg schrak hoch. War da ein Geräusch? Er lauschte, bis er es wieder hörte. Sie kommen, dachte er. Sie haben die offene Tür entdeckt, und jetzt suchen sie nach mir. Er legte die leere Feldflasche weg und blies die Flamme des Röhrenleuchters aus. Dann rappelte er sich auf. Ihm war schwummrig; der Wein war ihm nach so langer Zeit ohne Alkohol schnell zu Kopf gestiegen. Er presste sich an die Wand neben dem Eingangsdurchschlupf und zog seinen Dolch. Jetzt hörte er es ganz deutlich: Stimmen kamen näher – aber es waren Frauenstimmen dabei. Er glaubte das Meckern einer Ziege zu hören und fragte sich, ob ihm der Wein schon Sinnestäuschungen
verursachte. Dann erkannte er aufatmend den vertrauten Tonfall der Markgräfin und auch den des italienischen Malers. Er zündete das Licht wieder an und ließ die anderen kommen.
    Lorenzo Neri, der als Erster ging, steckte den Kopf durch die Türöffnung.
    »Guarda chi c’è! Gott zum Gruß, Commandante. Gut, dass Ihr vorausgegangen seid, um den Fluchtweg der Marchesa zu erkunden.« Er spuckte verächtlich auf den Boden und wandte sich dann nach hinten. »Kommt her. Es ist der Hauptmann.«
    Das kleine Grüppchen betrat den Raum. Barbara, die immer noch den schlafenden Säugling unter ihrem Mantel trug, drehte sich so, dass Leuchtenberg das Kind nicht sehen konnte. Sie hatte Georg seit dem Tod Jakob Tiefenthalers nur selten getroffen. Für sie war die Freundschaft zu Ende gewesen, seit sie wusste, dass es der Hauptmann war, der Albrecht von dem Mortbeten erzählt hatte, und für ihn galt das Gleiche, weil er ihren Verrat an ihrem Bruder zutiefst verurteilte. Das letzte Mal war er kurz nach der Geburt bei ihr gewesen. Sie hatten ihm eines der Kinder gezeigt, während das andere im Nebenzimmer unter einer Schicht Laken verborgen lag. Der Landgraf hatte das Neugeborene prüfend gemustert, sich nach dem Geschlecht erkundigt und war dann wortlos wieder gegangen.
    Jetzt war es Leuchtenberg sichtlich unangenehm,
dass sie ihn auf der Flucht überrascht hatten. Während er mit Lorenzo und Hansi sprach, band sie vorsichtig den kleinen Jakob los und gab ihn Susanna zu halten. Dann trat sie zu Georg und sah ihn mit ihren klaren grauen Augen an.
    »Georg, die Tage unserer Freundschaft sind vorbei, das weiß ich wohl. Aber jetzt bitt ich dich um der alten Zeiten willen: Sag mir, was Albrecht mit meinem Kind gemacht hat.«
    Der Landgraf konnte ihr nicht in die Augen schauen. »Ich weiß es nicht, Bärbel. Er … vielleicht hat er deinen Sohn mitgenommen?«
    Sie glaubte ihm kein Wort und legte drängend die Hand auf seinen Arm. »Georg, ich muss es wissen.«
    Er holte tief Luft und rang nach Worten. »Mein Gott, ich sag doch, ich weiß es nicht. Du musst deinen Bruder schon selber fragen.«
    In diesem Augenblick rührte sich das Kind. Des Hauptmanns Kopf fuhr herum, und sein Blick fiel auf Susanna, die sich mit dem Rücken zu ihm gestellt hatte. Jetzt, wo der Kleine schrie, drehte sie sich langsam zu den anderen um. Georg sah das kleine Gesichtchen mit dem Muttermal und dem schwarzen Haarflaum und wurde leichenblass. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, und er wich bis zur Wand zurück. Dann begann er, auf leise und unheimliche Weise zu lachen, ungläubig und voller Angst, bis seine Stimme kippte.
    »Das kann nicht sein!« Die Worte drangen schrill und heiser aus seiner zusammengeschnürten Kehle. »Heiliger Gott, ich bin wahnsinnig. Ich sehe Geister!«
    Alle standen verblüfft über seine Reaktion stumm da, nur Susanna erfasste die Situation. Sie hielt das Baby hoch und ging mit vor Wut verengten Augen auf den Hauptmann zu. Der streckte ihr abwehrend beide Hände mit gespreizten Fingern entgegen.
    »Bleib weg von mir, weg, weg!« Er schob sich an der Mauer entlang, um dem Säugling auszuweichen, und versteckte sich hinter
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