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Bosmans/Deleu 02 -Totenspur

Bosmans/Deleu 02 -Totenspur

Titel: Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
Autoren: Luc Deflo
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1
     
    Endlich allein. Nadine Versluys musterte Mieke Demunter wie ein Zuhälter seine zukünftige Einkommensquelle: der gleiche Körperbau, vielleicht ein wenig schmaler; die gleichen grünen Augen, nur blasser; die gleichen blonden Haare, wenn auch etwas länger und für ihren Geschmack zu modisch geschnitten. Wenn dieser scheue Hundeblick und dieser widerlich verlegene Gesichtsausdruck nicht wären … Und dann dieser Name: Mieke.
    Nadine Versluys verzog die Lippen, studierte ihre sorgfältig manikürten Fingernägel, richtete sich auf, strich eine nicht vorhandene Falte in ihrem Gucci-Mini rock glatt und fragte: »Sherry?«
    »Äh …«
    »Oder möchtest du lieber etwas anderes trinken?«
    »Ja, Cola bitte.«
    Nadine ging aufrecht und mit einem Lächeln auf den Lippen hinüber zur Bar. Ihre wohlgeformten Brüste zeichneten sich provokant unter der hauchzartenArmani-Seidenbluse ab. Sie spürte die verstohlenen Blicke von Mieke im Rücken und genoss, wie elegant sie selbst bei jedem Schritt die Füße auf eine imaginäre gerade Linie setzte. Sie schenkte gerade den Sherry und die Cola ein, als sie eine Tür zuschlagen hörte. Kurz darauf kam Rachel Noens, Miekes Mutter, zurück ins Wohnzimmer. Noch nicht einmal die Hände hatte sie sich gewaschen. Diese offensichtlich asoziale Kuh drohte ihr alles zu verderben.
    »Kann ich Ihnen auch etwas anbieten?«, fragte Nadine Versluys kühl.
    »Ich hätte gern ein Bier.«
    Mit diesen Worten ließ sich Miekes Mutter auf das Designersofa mit dem Zebramuster sinken und strich mit der flachen Hand bewundernd über die Rückenlehne: »Richtig schick wohnen Sie hier!«
    Gereizt holte Nadine eine Flasche Weizenbier aus der in die Wand eingelassenen Minibar und wollte gerade nach einem Glas greifen.
    »Schon gut, ich trink aus der Flasche, dann gibt es weniger zu spülen.«
    Einem aufmerksamen Beobachter wäre das Aufblitzen in Nadines Augen nicht entgangen, doch Rachel Noens, die den Blick neugierig über die Einrichtung wandern ließ, merkte nichts. Sie war sich hundertprozentig sicher, dass die feine Dame des Hauses lesbisch war, und nahm sich daher vor, ihr erst einmal auf den Zahn zu fühlen, bevor sie ihrer Tochter erlaubte, hier einzuziehen.
    Nadine stellte die Getränke auf den Tisch und nahm neben ihrem Gast auf dem Sofa Platz. Ihr entging deren Neugier nicht, genauso wenig wie die begehrlichen Blicke, die Miekes Mutter auf ihre Pumps warf.
    »Was für schöne Schuhe! Wo haben Sie die gekauft?«, fragte Rachel Noens denn auch prompt. »So was kann ich nicht tragen.« Sie nahm einen Schluck von ihrem Weizenbier. »Ich hab nämlich Hühneraugen.«
    Nadine Versluys unterdrückte ihren Ekel, nippte am Sherry und beobachtete verstohlen, wie Mieke nervös auf ihren Nägeln kaute und sich immer tiefer in das Sofa duckte. Wie ein verletztes kleines Tier, wie die ideale Mitbewohnerin.
    »Ach, ich glaube, in Löwen«, antwortete sie gleichgültig, als Miekes Mutter sie unverwandt ansah und offensichtlich auf eine Antwort wartete.
    »Ja, da kann man gut einkaufen, finde ich.«
    Miekes Einwurf kam fast im Flüsterton.
    »Wir können ja mal zusammen dort einkaufen«, schlug Nadine vor. »Wenn du erst hier eingezogen bist. Ich suche eine Mitbewohnerin, mit der ich mir die Kosten für die Wohnung teilen kann. Ich bin nämlich viel auf Reisen.«
    »Das hört sich gut an«, unterbrach sie Miekes Mutter. Nadine warf ihr einen durchdringenden Blick zu, bei dem Mieke unwillkürlich zusammenzuckte. Ihr war die Verwandlung nicht entgangen. Es war, als säße sie Dr. Jekyll gegenüber, der gerade zu Mr. Hyde geworden war.
    Nimm dich in Acht, Nadine! Aber es wird ja sowieso nichts draus, schoss es der jungen Frau durch den Kopf.
    Doch zum Glück redete da schon wieder Rachel Noens drauflos. »Leben Sie allein?«
    »Ja. Hier geht es durchaus ruhig und gesittet zu.«
    »Kann ich mir die Wohnung noch mal ansehen?« Rachel Noens marschierte bei diesen Worten bereits ungeniert in Richtung Flur.
    »Ich kann gut verstehen, warum du zu Hause weg willst, mein Kind«, erklärte Nadine nach ein paar Augenblicken beklemmender Stille.
    »Ach, so schlimm ist meine Mutter gar nicht. Ich glaube, sie hat einfach Angst vor dem Alleinsein.«
    »Wie viel verdienst du eigentlich?«
    »Na ja, nicht viel, als Friseurin.«
    »Hm. Steh doch bitte mal auf.«
    Mieke gehorchte zögernd.
    »Komm mal her.«
    Nadine stellte sich mit dem Mädchen vor einen imposanten Art-déco-Spiegel. Mieke war etwas kleiner als sie. Ein
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