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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)
Autoren: Peter Wende
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– I –
VORGESCHICHTE
    Im August des Jahres 1415 eroberten portugiesische Truppen die afrikanische Hafenstadt Ceuta an der östlichen Einfahrt zur Straße von Gibraltar; und zwei Monate später, am 25. Oktober, errang das Heer des englischen Königs Heinrich V. bei Azincourt einen eindrucksvollen Sieg über die zahlenmäßig überlegene Streitmacht des französischen Herrschers Karl VI.: beides bedeutsame militärische Ereignisse – wenn auch mit höchst unterschiedlichen Folgen. Die Eroberung Ceutas steht durchaus noch in Zusammenhang mit der iberischen Reconquista – der Jahrhunderte währenden Kämpfe der christlichen Staaten auf der Pyrenäenhalbinsel gegen die moslemische Vorherrschaft –, doch da die Araber bereits vom portugiesischen Boden vertrieben waren, verfolgte man jetzt den traditionellen Gegner über die Meerenge hinaus bis nach Afrika und begnügte sich nicht damit, lediglich reiche Beute zu machen: Die eroberte Hafenstadt wurde vielmehr zum Marinestützpunkt ausgebaut – zum Schutz des eigenen Handels und als Basis für weitere Unternehmungen im marokkanischen Raum. Überdies konnte man nun Einfluß auf den Karawanenhandel durch die Sahara gewinnen, denn Ceuta war ein bedeutender Umschlagplatz für den Warenverkehr im Mittelmeerraum. Zudem war einer der Befehlshaber auf portugiesischer Seite Prinz Heinrich, dem man später den Beinamen ‹Der Seefahrer› zulegte, weil er im Laufe der folgenden Jahre die maritimen Aktivitäten Portugals nachhaltig initiierte und förderte, über die später der Seeweg nach Indien erschlossen und die portugiesische Kolonialmacht etabliert wurde. Mit der Einnahme Ceutas begann – historisch gesehen – die überseeische Expansion Europas und eine neue welthistorische Epoche, das Zeitalter der Entdeckungen, die meist schon bald in Eroberungen umschlugen.
    Für die Zeitgenossen blieb Ceuta gleichwohl allenfalls ein Randereignis – im Gegensatz zur Schlacht von Azincourt und ihren unmittelbaren militärischen und politischen Auswirkungen. Denn der englische König Heinrich V. sah mit diesem spektakulären Sieg vor aller Welt seinen Anspruch auf den französischen Thron bestätigt. Damit war eine weitere Phase des hundertjährigen Krieges eingeleitet, der bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts die politischen und ökonomischen Energien Englands binden, ja über Gebühr strapazieren sollte. Und während im Mittelmeerraum italienische Handelsstädte sowie die beiden iberischen Monarchien im 15. Jahrhundert darangingen, die überseeische Expansion Europas einzuleiten, blieb England daher trotz seiner atlantischen Randlage auf den europäischen Kontinent fixiert.
    Die Ursachen hierfür waren vielfältig. Krone und Adel, beide normannischen Ursprungs, waren, nicht zuletzt auf Grund bestehender Rechts- und Besitzverhältnisse, traditionsgemäß auf Frankreich hin orientiert. Von 1066 bis zum Ende des hundertjährigen Krieges hatte der englische König stets auch über – oft sogar ausgedehnte – Teile Frankreichs geherrscht. Das hoch- und spätmittelalterliche England war kein Inselstaat. Allerdings war das Interesse der Krone immer wieder darauf gerichtet, die politische Einheit der Insel herzustellen. So wurde Wales unterworfen, und englische Herrscher hatten mehrfach versucht, Schottland untertan zu machen. Später geriet dann auch Irland ins Visier englischer Expansionsbestrebungen, die damit freilich auf die unmittelbaren Grenzbereiche Nordwesteuropas beschränkt blieben.
    Ähnliches gilt für ökonomische Strukturen und Interessen. Im Mittelalter war England noch keine Handelsmacht, und da jeder Handel mit der Insel von Natur aus maritim sein mußte, auch noch keine Seemacht. Trotz der häufigen militärischen Expeditionen nach Frankreich gab es keine königliche Flotte, statt dessen waren bei solchen Unternehmungen die fünf Hafenstädte Hastings, Dover, Sandwich, Romney und Hythe nach geltendem Lehnrecht verpflichtet, ihre Schiffe zur Verfügung zu stellen; als Gegenleistung hatten diese cinque ports dafür bestimmte Privilegien erhalten. Auch über eine nennenswerte Handelsflotte verfügte England damals noch nicht. Als Endpunkt großer europäischer Handelsrouten wurde die Insel vorwiegend von ausländischen Kauffahrtsschiffen angesteuert. Begehrte Importwaren lieferten die Hanse und aus dem Mittelmeerraum vorwiegend italienische Kaufleute. Dies war durchaus auch im Interesse der königlichen Finanzverwaltung, denn Ausländer waren leichter zu besteuern
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