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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra
Autoren: Guido Dieckmann
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sie die Tür hinter sich ins Schloß zog, wandte er sich an seine Schwester. »Ich hätte nicht zugelassen, daß sie dir etwas antut, Philippa. Aber du weißt hoffentlich, daß du keine Ansprüche auf das Gut mehr geltend machen kannst, nicht wahr?« Er blickte ihr tief in die Augen. Für einen Moment glaubte Philippa, in seinem Gesicht einen Hauch von Trauer zu erkennen, von der Angst eines kleinen Jungen, der sich im Dunkeln fürchtet, und von lange unterdrückter Sehnsucht nach Zärtlichkeit.
    »Wie ich dich kenne, würdest du ohnehin keine Abfindung annehmen, die aus dem Beutel der Medewitzer stammt«, fügte er hinzu. »Behalte, was unsere Mutter dir hinterließ, und laß mir das Gut!«
    ***
    Gemächlich wanderten sie den einsamen Weg entlang, der den Dorfanger mit der endlosen Weite der Lippendorfer Felder verband.
    Gabriel stützte Roswitha, und die alte Frau ließ es zu, ohne sich gegen den Musikanten zu sträuben. Bernardi und Philippa blieben ein wenig abseits, jeder von ihnen eingesponnen in seine eigenen Gedanken. Bernardi hatte den Wandbehang der Francesca von Bora zusammengerollt und sich über die Schultern geworfen. Philippa dachte an Sebastian, der längst wieder zum Gutshaus zurückgekehrt war. Vermutlich würden sie einander niemals wiedersehen.
    »Triest soll eine wunderschöne Stadt sein«, brach Bernardi nach einiger Zeit das Schweigen. Er blieb stehen, ließ Philippas zusammengerollten Gobelin vorsichtig zu Boden gleiten und maß sie mit einem Blick, der noch durchdringender als der des Gauklers war. »Man sagt, daß die Sonne über Italien auch Herzen wärmt!«
    »Dagegen hätte ich gewiß nichts einzuwenden«, seufzte Philippa und lächelte.

Nachwort des Autors
    Das 16. Jahrhundert, Zeitalter der Entdeckungsreisen, der Renaissance und des Humanismus, gilt der Geschichtsschreibung gemeinhin als Schwelle vom Mittelalter zur frühen Neuzeit.
    Tatsächlich kennzeichnen einschneidende Umbrüche die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Vorgänge dieser Jahre. Feste Traditionen gingen gegen Ende des Mittelalters in die Brüche. Innerhalb der Bevölkerung wuchsen Unsicherheit und Zweifel. Der Ruf nach Reformen traf indessen nicht nur eine verweltlichte, bürokratische Kirche, sondern auch die politischen Verhältnisse im zusehends zersplitterten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.
    Mit dem Niedergang der mittelalterlichen Ritterschaft und des städtischen Zunftwesens vollzogen sich auch gesellschaftliche Veränderungen. Die Klöster, ehemals Zentren von Wissenschaft und Bildung, verloren mehr und mehr an Bedeutung. In den Städten wurden vermehrt Schulen für Knaben und Mädchen eingerichtet, an die Stelle der erstarrten Scholastik des Spätmittelalters traten die Erkenntnisse des Humanismus, welche den Menschen und sein Los in den Mittelpunkt des Weltgeschehens rückten.
    Im Zuge dieser Neuerungen begannen auch Frauen, ihren Platz in der sich wandelnden Gesellschaft neu zu definieren.
    Katharina von Bora, im Roman die Tante der Titelheldin, ist ein außergewöhnliches Beispiel für eine gebildete und tatkräftige Frau des frühen 16. Jahrhunderts, auch wenn sie in der Öffentlichkeit nur selten in Erscheinung trat und deshalb im Schatten ihres berühmten Ehemanns von der Geschichtsschreibung vergangener Jahrhunderte oft schlichtweg ignoriert wurde.
    Über Herkunft und Bedeutung des Hauses von Bora wissen wir aufgrund der dürftigen Quellenlage recht wenig. Katharina von Bora, geboren 1499 in Lippendorf, einem kleinen Flecken südlich von Leipzig, entstammte einem verarmten sächsischen Adelsgeschlecht. Sie hatte mindestens drei Brüder und verbrachte den Großteil ihrer Jugend hinter Klostermauern, ehe sie sich zur Flucht und später zur Heirat mit Martin Luther in Wittenberg entschloß. An der Seite des Reformators machte sie aus dessen ehemaliger Abtei, dem Schwarzen Kloster, ein herrschaftliches Anwesen mit einem florierenden landwirtschaftlichem Betrieb.
    Mit den Jahren fanden zahlreiche Freunde und Verwandte der Familien Luther und von Bora Aufnahme unter ihrem Dach. Manche dieser Verwandten wohnten nur vorübergehend im Schwarzen Kloster, andere wie die Muhme Lene blieben Wittenberg bis zu ihrem Tode verbunden. Was aus den elternlosen Nichten der Lutherin wurde, ob und mit wem sie sich verheirateten und wo sie sich niederließen, ist dagegen in vielen Fällen ungeklärt geblieben, da Katharina von Bora im Gegensatz zu ihrem Mann der Nachwelt nur wenige schriftliche Zeugnisse
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