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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra
Autoren: Guido Dieckmann
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doch einmal an, was aus dir geworden ist! Ein Schwächling. Ein armseliger Säufer. Du läßt dich von den Medewitzern herumkommandieren. Ich wette, diese beiden Kerle«, Philippa deutete auf die geharnischten Landsknechte, »gehorchen keinem deiner Befehle mehr!«
    »Wozu auch?« Abekkes Augen verengten sich zu Schlitzen. »Als euer Großvater das Gut bewirtschaftete, war Lippendorf nicht mehr als ein heruntergekommenes Nest. Der Alte war kaum in der Lage, seine Kinder zu ernähren. Deshalb schickte er sie ja auch zu Verwandten oder ins Kloster. Seit Medewitz die Geschicke eurer Ländereien lenkt, füllen sich die Speicher wieder. Die Schuldenlast hat abgenommen, und was das Wichtigste ist: Im Herrenhaus ziehen langsam aber sicher Eleganz und höfischer Komfort ein. Falls du verstehst, was ich damit meine!«
    Philippa schenkte der blonden jungen Frau keine weitere Beachtung. Sie trat auf Sebastian zu und faltete flehend die Hände. »Wenn in Lippendorf alles zum besten steht, Bruder, warum dann diese Totenstille im Dorf? Warum dreht sich das Mühlrad nicht mehr? Wir sind unterwegs keinem einzigen Händler begegnet, der es nicht vorzog, Lippendorf auf seinem Weg zu meiden.«
    »Was willst du damit sagen?« Sebastian von Bora starrte seine Schwester düster an. Seine Finger am Anschlag zuckten nervös.
    »Ich will dir sagen, daß deine Bauern die Herrschaft der Medewitzer fürchten! Daß gefüllte Speicher kein Ersatz für verlorene Würde und Selbstachtung sind!« Hocherhobenen Hauptes lief sie an ihrem Bruder und dessen Frau vorbei, bückte sich und zog den Wandbehang ihrer Mutter unter den Polstern hervor. Zusammen mit der italienischen Urkunde legte sie ihn Sebastian vor die Füße.
    »Philippa, was … tut Ihr?« keuchte Bernardi. Die Schwertspitze an seinem Hals ruckte drohend höher.
    »Wenn du den Medewitzern mit deinem Besitz auch gleichzeitig deinen Stolz verpfändet hast, so behalte meinen Erbteil und löse ihn damit aus!«
    »Daher weht also der Wind!« Abekke ging in die Knie und hob den Gobelin vom Boden auf. Ihr seidiges blondes Haar fiel ihr rauschend über die schmalen Schultern. »In diesem Fetzen war also etwas verborgen, das der Gaukler für dich stehlen sollte.« Sie stand auf und stellte sich in gebieterischer Pose neben ihren Ehemann. »Es wird Zeit, daß wir uns deine diebische Schwester ein für allemal vom Halse schaffen. Wenn ihr Wittenberg nicht gefiel, so findet sie vielleicht die Sümpfe vor unserem Haus angenehmer. Junker …«
    Der Knecht straffte seine Schultern. Seine Augen wanderten von Philippa zu seinem Herrn. Dann gab er seinem Kameraden ein Zeichen, Sebastians Armbrust an sich zu nehmen. Philippa traten vor Angst die Tränen in die Augen. War dies wirklich ihr Ende? Nun, sie würde Haltung bewahren.
    »Einen Moment!« Sebastian holte tief Luft. Er nahm seine Waffe in Anschlag und befahl Abekkes Knecht mit einem überraschend strengen Blick, sich zurückzuziehen. »Du gibst deinem Diener den Befehl, mich zu entwaffnen, Abekke?«
    Alle Augen richteten sich auf ihn, da er verwirrt und fragend dastand.
    Bernardi nutzte den Moment der Unachtsamkeit. Er stürzte vor und versetzte dem überraschten Junker vor ihm einen heftigen Tritt in den Magen. Stöhnend taumelte Abekkes Dienstmann zurück und hob die Schwerthand zum Angriff. Doch da traf ihn auch schon Gabriels Faust. Klirrend fiel die Waffe zu Boden. Begleitet von Abekkes wütendem Aufschrei sank der Mann in die Knie.
    »Was zur Hölle ist bloß in dich gefahren?« Abekke erbleichte. Sie ging auf ihren Mann los, der noch immer drohend die Armbrust hochhielt. Mit beiden Fäusten trommelte sie gegen seine Brust. »Bist du völlig wahnsinnig geworden? Sie entwischen uns!«
    Philippa stellte sich neben Bernardi und tastete nach dessen Hand. Den glasigen Augen ihres Bruders mochte sie ebensowenig trauen wie dem Toben Abekkes.
    Sebastian packte seine Frau grob am Handgelenk. Sie schrie auf, diesmal weniger vor Enttäuschung als vor Schmerz. »Du nennst mich also wahnsinnig, teure Gattin? Weil ich deinen Lakaien gemaßregelt habe oder weil ich es ablehne, meine eigene Schwester in die Sümpfe treiben zu lassen?«
    »Sebastian …«, rief die Medewitzerin ungläubig. Nie zuvor hatte sie ihren Gemahl so entschlossen erlebt.
    »Über diese Frage werden wir noch reden müssen, Abekke! Doch nicht hier und nicht zu dieser Stunde!« Er entließ sie aus seinem Griff und bedeutete ihr mit einem eisigen Blick, die Hütte zu verlassen. Erst als
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