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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra
Autoren: Guido Dieckmann
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Gabriel Prinz legte in gespannter Erwartung die Stirn in Falten.
    »Was um alles in der Welt …?«
    »Ein Schlüssel«, sagte Roswitha. »Wahrscheinlich gehört er zu einem Tor, denn für alles andere dürfte er zu groß sein. Darunter fühle ich noch etwas, ein Stück Pergament!« Sie reichte beide Gegenstände an Philippa und Bernardi weiter. Philippas Hände zitterten so stark, daß ihr der fein verzierte Schlüssel beinahe entglitten wäre. Kühl und schwer fühlte er sich an. Ein ordentliches Stück Schmiedehandwerk. Doch zu welchem Tor mochte er gehören? Aufgewühlt gab sie den Schlüssel Roswitha zurück und bat sie, ihn an ihr Gürtelband zu binden.
    »Wie es scheint, hat Eure Mutter Euch doch weitaus mehr hinterlassen als nur die Figur der heiligen Katharina«, sagte Bernardi und berührte Philippa liebevoll an der Schulter. »Das Dokument, das Eure Amme aus dem Gobelin zog, ist in italienischer Sprache aufgesetzt worden. Leider verstehe ich nicht alles, aber …«
    »Erlaubt Ihr?« Mit einer eleganten Bewegung nahm Gabriel Prinz ihm das vergilbte Papier aus der Hand und überflog, während Bernardi empört nach Luft schnappte, lächelnd dessen Inhalt. »Francesca Cuza stammte aus Triest«, erklärte er, während seine Blicke über das Pergament huschten. »Sie war die Tochter eines Kaufmanns, der mehrere Palazzi in der italienischen Stadt besaß. In dieser Urkunde überträgt ein Advokat namens Signor Raffaele eines dieser Anwesen auf den Namen besagter Francesca.«
    Philippa verschränkte die Arme über der Brust und öffnete die Tür, damit ein wenig frische Luft eindringen konnte. Versonnen starrte sie in die Nacht hinaus und dachte nach. Es war wie ein Traum. Ein Haus aus weißem Marmor tat sich vor ihr auf, Zypressen und Orangenbäume, duftender Jasmin und ein langer Strand, auf dem ihre nackten Füße feine Spuren hinterließen.
    ***
    Der Morgen graute bereits, als Philippa von Stiefeltritten in die Seite unsanft geweckt wurde. Benommen öffnete sie die Augen und hob den Kopf. Ihr war, als eröffnete sich vor ihr ein weiterer böser Traum.
    Bernardi und Gabriel standen mit erhobenen Händen an der kargen Bretterwand. Zwei Landsknechte hielten sie mit gezückten Schwertern in Schach: ein Mann mit rotem Bart und ein vierschrötiger Kerl, der nach Branntwein roch. Roswitha lag zusammengekrümmt mitten in der Hütte. Ihre Augen waren geschlossen. Philippa sah entsetzt, daß sie aus einer Wunde am Kopf blutete. Der rote Fleck hinterließ ein bizarres Muster auf dem steifen Leintuch ihres Schleiers.
    »Willst du uns nicht willkommen heißen, werte Schwägerin?« hörte sie auf einmal eine Stimme in ihrem Rücken. Abekke von Bora hatte beinahe lautlos die Jagdhütte betreten und lächelte Philippa geringschätzig an. »Gute Manieren hattest du allerdings selbst zu deinen besten Zeiten nicht!«
    Hinter Abekke stolperte ein Mann über die Schwelle. Sein Kinn war mit Bartstoppeln übersät, der dunkle Haarschopf vom Wind zerzaust. Die Weinflecken auf seinem groben Wollhemd zeigten an, daß er noch vor kurzer Zeit getrunken haben mußte. In der rechten Hand hielt er eine Armbrust. Philippa erkannte die Waffe sofort und unterdrückte einen Aufschrei der Verzweiflung. Es war die Armbrust ihres Vaters, und Sebastian, ihr Bruder, zielte direkt auf ihr Herz. Ihn allerdings hätte sie nicht auf Anhieb wiedererkannt.
    »Du hast dich nicht geirrt, Abekke«, erklärte Sebastian, ohne die Armbrust zu senken. »Es war tatsächlich meine Schwester, die den Gaukler zu uns schickte!« Sein Blick wanderte zum Fußboden. Als er Roswitha erblickte, schien er einen Atemzug lang Betroffenheit zu verspüren. Seine Gesten wurden unsicherer.
    »Ich irre mich niemals«, gab Abekke kühl zurück. Sie trug ihr Haar offen. In ihrem eng geschnürten Gewand aus violettem Damast blitzten Edelsteine. Forschend lief sie um ihre Schwägerin herum. Roswitha stöhnte leise. Endlich schlug sie die Augen auf.
    »Die Alte hat unsere Pferde gehört und wollte Krach schlagen, diese Närrin«, erklärte Abekke seelenruhig. »Dabei haben wir das Recht, unser Eigentum vor Dieben zu schützen, nicht wahr, Junker Armin?«
    Der rothaarige Landsknecht warf Philippa einen lüsternen Blick zu und verzog sein Gesicht zu einer häßlichen Grimasse der Vorfreude.
    »Sebastian«, sprach Philippa ihren Bruder an. Heiser und rauh klang ihre Stimme. »Du bist der Herr von Lippendorf! Nicht Abekke, und schon gar nicht die Medewitzer!«
    »Schweig!«
    »Sieh dir
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