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ARALORN - Der Verrat (German Edition)

ARALORN - Der Verrat (German Edition)

Titel: ARALORN - Der Verrat (German Edition)
Autoren: Patricia Briggs
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1
    Der Ruf eines Winterwills erklang zweimal.
    Daran war nichts Ungewöhnliches. Der Winterwill – eine kleine, grau-goldene Lerche – war einer der wenigen Vögel, die im Winter nicht nach Süden zogen.
    Aralorn wandte ihren Blick nicht von dem verschneiten Pfad vor ihr ab, aber sie sah, wie die Ohren ihres Pferds zuckten, als sie durch eine Schneewehe brach.
    Winterwills waren ebenso alltäglich wie laut … doch dieser hatte genau in dem Augenblick geschrien, als sie die linke Abzweigung auf dem Weg genommen hatte. Der Schnee lag hier nicht ganz so tief, und sie lenkte Schimmer von dem Pfad herunter und den Hang hinauf. Tatsächlich ließ der Winterwill dreimal seinen Ruf ertönen, und noch zwei weitere Male, als sie wieder auf den Pfad zurückkehrte. Schimmer schnaubte, schüttelte den Kopf und rasselte mit seiner Kandare.
    »Pest und Verdammnis«, murmelte Aralorn.
    Der Weg wand sich durch die Bäume und flachte ein wenig ab, als der Wald sich zu beiden Seiten lichtete. Sie verlagerte ihr Gewicht, und ihr Pferd blieb stehen. Fügsam hielt hinter ihm auch ihr zweites Pferd, ein Rotschimmel, an. Schimmer indessen warf seinen Kopf hoch und stellte die Ohren auf.
    »Gute Herren des Waldes«, rief Aralorn, »ich bin in dringender Angelegenheit unterwegs und bitte um Erlass des Wegzolls, damit ich unbehelligt weiterreisen kann.«
    Sie konnte die Enttäuschung beinahe spüren, die sich unter den sich im Schutz der Bäume haltenden Wegelagerern breitmachte. Schließlich trat ein Mann aus seinem Versteck hervor. Seine Kleidung war ordentlich geflickt, und Aralorn fühlte sich auf seltsame Weise an die gewissenhaft reparierte Hütte erinnert, wo sie vor etwa einer halben Stunde Käse gekauft hatte. Die Kapuze seines ungefärbten Umhangs war hochgezogen und die untere Hälfte seines Gesichts durch einen Winterschal geschützt.
    »Ihr seht nicht aus wie ein Händler«, erwiderte der Mann barsch. »Warum meint Ihr, von ihrem Abkommen mit uns Gebrauch machen zu können?«
    Noch bevor sie den Mann überhaupt zu Gesicht bekommen hatte, hatte sie bereits eine Geschichte parat gehabt. Aralorn hatte immer eine Geschichte parat. Aber das Erscheinungsbild ihres Gegenübers ließ sie ihre Pläne ändern.
    Obwohl seine Kleider verschlissen aussahen, waren seine Stiefel königliche Qualitätsware, und es lag ein gehöriges Maß an Selbstvertrauen in der Art und Weise, in der seine Hand an dem Kurzschwert ruhte. Mit Sicherheit ist er mal Soldat gewesen, dachte Aralorn. Und wenn er zum rethischen Heer gehört hat, wird er auch meinen Vater kennen … Höchstwahrscheinlich komme ich bei ihm mit der Wahrheit weiter als mit irgendwelchen Lügen.
    »Ich bin mit etlichen Händlern eng befreundet«, entgegnete sie. »Aber wie Ihr schon sagtet, zwischen Euch und mir besteht keine Abmachung. Insofern besteht kein Grund, mir die Durchreise zu gewähren.«
    »Die Existenz des Abkommens ist ein streng gehütetes Geheimnis«, sagte der Mann. »Eines, für das viele töten würden, um es zu schützen.«
    Aralorn lächelte freundlich und ignorierte die Drohung. »Ich hab diese Gegend schon einmal als Händler durchquert und hätte es diesmal ebenso gekonnt. Aber als ich in Euch einen Mann der Streitkräfte erkannte, dachte ich, ich käme auch mit der Wahrheit durch – ich lüge nur, wenn ich muss.«
    Er lachte, auch wenn seine Hand keinen Zentimeter von seinem Schwertheft wich. »Also gut, edle Herrin, dann lasst sie mich hören, Eure Wahrheit .«
    »Ich bin Aralorn, Söldnerin von Sianim. Mein Vater ist tot«, sagte sie. Ihre Stimme geriet unvermutet ein wenig ins Schwanken – das brachte sie einen kurzen Moment aus dem Konzept. Sie war es nicht gewohnt, sich etwas sagen zu hören, das sie so eigentlich nicht geplant hatte. »Der Löwe von Lammfeste. Wenn Ihr mich länger als ein paar Stunden aufhaltet, verpasse ich sein Begräbnis.«
    »Komisch, davon ist mir gar nichts zu Ohren gekommen«, erklärte der Räuber argwöhnisch. »Ich kenne den Löwen. Ihr seht ihm kein bisschen ähnlich.«
    Aralorn verdrehte die Augen. »Das weiß ich. Ich bin seine älteste Tochter, geboren von einer Bauersfrau …« Schimmer vernahm die wachsende Anspannung in ihrer Stimme und reagierte unruhig.
    Die Aufmerksamkeit des Räuberhauptmanns wurde auf das Pferd gelenkt; im selben Moment erstarrte er und zog die Luft ein. Mit einer Geste brachte er Aralorn zum Schweigen und ging langsam um das Reittier herum. Dann nickte er knapp. »Ich glaube Euch. Euer Hengst
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