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Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Titel: Enwor 10 - Die verbotenen Inseln
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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E s war zu still. Als sie den Hof verlassen hatten, vor
(Minuten? Skar kam es vor, als wären es Stunden gewesen)
wenigen Augenblicken, da war es ruhig gewesen; das normale Schweigen, das nach dem Ende eines Tages auch von einem so großen Anwesen wie diesem Besitz ergriff, durchbrochen nur noch von den Geräuschen der Nacht und den kleinen unbewußten Lauten, die Mensch und Tier von sich gaben. Jetzt war es, als hielte die Zeit den Atem an. Es war nicht einfach nur leise, dachte Skar beunruhigt.
    Es war still.
    Absolut still.
    Unsinn.
    Er versuchte sich selbst zu beruhigen. Er war nervös — mit Recht —, er hatte Angst — mit noch größerem Recht —, und er mußte an den Verrat denken, den er an Titch begangen hatte. Er wußte, daß der Quorrl nicht tot war — er hatte hart zugeschlagen, aber nicht hart genug, um ihn wirklich ernsthaft zu verletzen oder gar umzubringen, und Titch würde ihn verstehen. Aber das änderte nichts. Titch hatte sein Leben riskiert und sein eigenes Volk verraten, um ihn zu retten. Vielleicht hätte der Quorrl, wäre es umgekehrt und
er
an Skars Stelle gewesen, ganz genau so reagiert, und vielleicht würde er ihn sogar verstehen und ihm verzeihen.
    Die Krieger haben Befehle aus Ninga gebracht. Die menschlichen Gefangenen werden getötet. Alle.
    Ja, er würde verstehen, daß Skar gar nicht anders gekonnt hatte, als zurückzukommen und die Gefangenen zu befreien.
    Aber Skar war nicht sicher, ob
er selbst
sich vergeben würde. Der Quorrl und er waren längst mehr als bloße Weg- und Kampfgefährten. Und Skars Vorrat an Freunden war zu weit zusammengeschmolzen, als daß er es sich leisten konnte, auch nur das kleinste bißchen davon zu riskieren.
    Skar ritt langsamer, als er das Tor hinter sich hatte. Mit einer Gestik, die gerade weit genug übertrieben war, um ganz bestimmt bemerkt und richtig gedeutet zu werden, sah er sich um, wie suchend, ein Reisender, der spät in der Nacht und unangemeldet kam und sich bemühte, niemanden aufzuwecken, der aber auch nichts zu verheimlichen hatte.
    Aber irgendwie spürte er auch gleichzeitig, daß er seine Schauspielkünste verschwendete. Das ungute Gefühl blieb, und verdammt — es
war
zu still! Skar lauschte auf das gedämpfte, aber
hörbare
Hufschlagen seines Pferdes, seine eigenen Atemzüge und die des Tieres, das leise Rascheln des Windes, der mit Stroh und trockenem Blattwerk spielt und mit einem sonderbar seidigen Geräusch über den Stoff des halben Dutzend kleiner Zelte strich, das auf dem Hof aufgestellt worden war. Das Knistern der heruntergebrannten Feuer, in deren Glut noch Zweige knackten. Das dumpfe Gewittergrollen Ningas, das wie der schwere Atem eines unsichtbaren riesigen Drachen von Norden her durch die Nacht heranwehte. All diese Geräusche waren da, und viele mehr, die er nicht bewußt wahrnahm, die aber da waren und den Pulsschlag der Nacht bildeten, hier in Cant wie überall sonst auf Enwor.
    Und doch…
    Etwas war nicht richtig. Etwas war da, was nicht hierher gehörte; vielleicht war es auch gerade umgekehrt, und irgend etwas
fehlte.
Aber etwas warnte ihn. Nie zuvor im Leben hatte Skar deutlicher das Gefühl gehabt, in eine Falle zu laufen, als jetzt. Vielleicht auch nicht einmal unbedingt eine
Falle.
Vielleicht einfach an einen Ort, an dem er nicht sein sollte, oder zu… irgend etwas, dem er nicht begegnen durfte.
    Er hatte den Hof zur Hälfte überquert und näherte sich dem finsteren Steinquader, in dem Crons Gefangene auf den Tod warteten, als das Gefühl so übermächtig wurde, daß er innehielt. Vorsichtig hob er den Kopf und spähte unter dem Rand seiner schwarzen Kapuze hindurch in die Runde, und für einen Moment glaubte er zu begreifen: es war kein sechster Sinn, der ihn warnte, keine mystischen Stimmen aus seinem Inneren, sondern nichts weniger Banales als seine jahrzehntelange Erfahrung als Krieger, das Wissen des Satai, der er trotz allem noch war, und der hartnäckig darauf beharrte, daß dieser Hof einfach ein wenig zu friedlich und still war; selbst wenn er Titchs Worten glaubte und unterstellte, daß die gut fünfzig Krieger, die den
Bestimmer
begleiteten, betrunken in ihren Zelten lagen und schliefen.
    Sie können nicht alle betrunken sein,
beharrte der Satai in ihm.
Die meisten, ja. Fast alle. Aber nicht
alle.
Du weißt, daß das unmöglich ist.
    Skar ritt langsam weiter, lenkte sein Pferd ein wenig zur Seite, jetzt mehr zu Crons Wohnhaus als dem Kerker hin, und stieg schließlich aus dem Sattel.
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