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Leben macht Sinn

Leben macht Sinn

Titel: Leben macht Sinn
Autoren: Irmtraud Tarr
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Vorwort
    Die Frage nach dem Sinn ist die Kernfrage unserer Zeit. Unsere Sehnsüchte haben sich auf eine höhere Ebene verlagert. Fragen und Hoffnungen werden heute freigesetzt, die früher nur Minderheiten – Bildungsbürgertum, Adel, Intellektuellen – vorbehalten waren. Wer bin ich selbst? Wozu lebe ich? Wohin geht es mit mir? Wie kann ich mich am besten entfalten? Wir wollen uns selbst und das Leben besser verstehen. Wir wollen uns orientieren und ausrichten auf unseren Wegen. Diese Suche nach Orientierung und Ausrichtung zielt auf uns selbst, auf unsere Würde und unseren Eigensinn.
    Früher war Sinn etwas Vorgegebenes, Transzendentes, von Gott her Bestimmtes. Heute ist es uns überlassen, sozusagen in göttlicher Einsamkeit unseren eigenen Sinn zu suchen. Jeder bastelt sich selbst seinen Sinn, manchmal nach dem religiösen Lustprinzip. Und wenn das nicht trägt, dann wählt man eben etwas anderes. Möglich ist vieles. Das ist anstrengend und tragisch. Tragisch, wenn man bedenkt, wie Menschen einst in eine große Geschichte eingebunden waren und sich für Figuren in einem kosmischen Drama hielten, die erschaffen wurden, diesündigten, sich schuldig machten und erlöst wurden. Anstrengend, weil wir uns heute wie Schauspieler ohne Regisseur und Handlungsanweisungen auf der Bühne bewegen und eigene Szenen, Dramen und Komödien improvisieren. Wir sind selbst dafür verantwortlich wie dieses Schauspiel oder diese Soap Opera ausfällt. Dies kann jedoch auch entlastend wirken, da uns niemand mehr Vorschriften machen oder Sinn von oben herab verordnen kann.
    Hierzu passt die Geschichte von dem Mann, der sein Auto in die Werkstatt bringt. Als er es wieder abholen will, meint der Mechaniker: »Ich konnte die Bremsen nicht reparieren, deswegen habe ich die Hupe lauter gestellt!« Spiegelt dieser Witz nicht unser menschliches Dilemma? Niemand löst für uns das Sinnproblem, also versuchen wir irgendwie durchzukommen, anzukommen, weiterzukommen. Immerhin können wir hupen, auf uns aufmerksam machen und unser Bestes geben, um auf unseren Wegen wenigstens gehört zu werden.
    Unser Sinnbedürfnis hat sich verlagert. Statt im Objektiven oder Transzendenten suchen wir Sinn in der Liebe, in den Kindern, im Sport, in der Selbstveränderung. Der Blick richtet sich nicht mehr nach oben, sondern in die Welt mit ihrer Überfülle an Sinnangeboten. Hannah Arendt definiert das moderne Leben als »Tyrannei der Möglichkeiten«. In dieser Formel drückt sich treffend aus, dass alles, was wir tun, aus riskanten Entscheidungen besteht. Wir müssen es mutig mit diesen überwältigenden Angeboten aufnehmen, um wachsen und gedeihen zu können, um irgendwann, vielleicht in ferner Zukunft, über uns selbst hinauszuwachsen. Das ist für viele eine Überforderung, die sich oft in der Frage äußert: Was soll das alles? Wie viele kennen dieses nagende Gefühl, dass es mehr geben muss, als dieses kurze Leben hergibt? Und die Melancholie, die sich nach einemErfolg einstellt, dieses Gefühl »Das ist es doch nicht«? Oder sie realisieren, dass der hohe Preis an Stress und Aufwand in keinem Verhältnis zum Erfolg steht.
    Immer wieder treffe ich auf Menschen, die von sich sagen: »Eigentlich müsste ich total glücklich sein. Bin ich aber nicht. Ich finde alles so sinnlos.« Auch Menschen, die gesund, wohlhabend und in Frieden leben, können diesen Mangel empfinden. Vor allem in der zweiten Lebenshälfte, wenn man seine angestrebten Ziele erreicht hat, meldet sich der Hunger nach diesem »Mehr«, das nur schwer fassbar und in Worte zu bringen ist. Aber fragt sich nicht jeder hin und wieder, ob er beim Mithalten des herrschenden Lebenstempos nicht etwas anderes, Wesentlicheres verpasst?
    Das Zauberwort »Sinn« funkelt hart und faszinierend wie ein buntes Prisma, das das Licht einsammelt. Es erzählt unendlich viele Geschichten, die alle eines gemeinsam haben: Menschen fragen nach Sinn, wenn sie Orientierung brauchen, wenn sie aus dem Vertrauten herausfallen, wenn Krisen sie beuteln, wenn sie Ungenügen und Mangel empfinden, oder wenn sie mit Umbrüchen, Schicksalsschlägen, Krankheit oder Tod konfrontiert werden. Die Frage nach dem Sinn verdichtet sich, wenn wir vor schweren Entscheidungen stehen, wenn Enttäuschungen uns treffen, wenn wir scheitern, und wenn das Leben grau und eintönig geworden ist. Das sind Situationen, die besonders prädestiniert sind, dass man fragt: Wozu? Aber ebenso dringlich werden Sinnfragen, wenn wir uns mit unserer Zukunft
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