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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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deinen Zorn, junger Seimar – du wirst den Speer als Krückstock brauchen, um den Marsch durchzustehen, der vor uns liegt.«
    »Nein, warte! Ich muss zurück!«
    »Was willst du, glaubst du, Olafr lässt sich von dir einfach so erschlagen?«
    »Nein, ich meine nicht den König! Laggar muss mit!« Eyvindr Kelda sah ihn fragend an.
    »Unser … Mein Falke! Ich kann ihn nicht zurücklassen!«
    »Dein Falke?«
    »Mein Vater und ich haben Laggar großgezogen! Er muss mit!«
    Eyvindr Kelda überlegte, dann nickte er.
    »Du hast mir den Weg aus dem Feuer gewiesen. Holen wir also deinen Falken!«
    Und damit ging Eyvindr los. Kyrrispörr starrte für einen Augenblick hinter ihm her. Er fühlte sich kaum in der Lage, einen Finger zu rühren, und Eyvindr … ging einfach los! Dabei hätte Kyrrispörr zumindest noch kurz Kraft schöpfen wollen. So aber quälte er sich hoch, verdrängte den Schmerz, so gut es eben ging, und humpelte hinter Eyvind Kelda her. Er hatte es geschafft.
     
    Wie eine Fackel brannte das Langhaus inmitten des Gehöfts. Die Rauchsäule schraubte sich in den Himmel und verdeckte halb den Mond.
    Je näher sie kamen, desto lauter wurde das Prasseln. Die Menschen standen ruhig da und betrachteten die Flammen, als wäre es eine gemütliche Mittsommerfeier. Zwei von ihnen hielten lange Stangen mit dem Kreuz der Christen. Die Bilder von Fröhlichkeit und Ausgelassenheit, die Kyrrispörr mit Feiern verband, wollten so gar nicht zu dem unbeschreiblichen Grauen passen, das hier Anlass für das Feuer war.
    Hastig sog er die Luft zwischen den Zähnen ein, als Eyvindr ihm plötzlich die Hand auf den Rücken legte und ihn hinunterdrückte. Fast hätte er vergessen, in welcher Gefahr sie beide schwebten. Nur noch wenige Schritte trennten sie von dem niedrigen Zaun des Gehöfts. Er verbiss sich ein Winseln, als der Stoff auf seiner Haut scheuerte, und schielte zu einem bis zum Dach im Boden versenkten Grubenhaus hinüber: Ein lang gezogener Schatten verriet das Nahen eines Menschen … Gleich darauf tauchte ein baumlanger Mann mit Pfeil und Bogen in den Händen auf – und hielt genau auf sie beide zu! Eyvindr drückte Kyrrispörr noch etwas tiefer in den Schnee. Aus den Augenwinkeln sah Kyrrispörr, wie sich der Schemen des Mannes gegen den Sternenhimmel abzeichnete. Jeden Augenblick musste er sie beide entdecken, der Mond spendete ja mehr Licht als die Sonne an manch nebeligem Tag!
    Der Mann kam näher und blieb keine Armeslänge vor ihnen stehen. Kyrrispörr schielte an den Hosenbändern hinauf und blickte direkt in eine gezackte Pfeilspitze, die kalt im Mondlicht glänzte.
    Wir sind entdeckt, schoss es ihm durch den Kopf. Das war’s. Aber als nach einem Moment immer noch kein scharfer Schmerz in seinen Schädel fuhr, erkannte er, dass der Mann gar nicht auf ihn hinuntersah, sondern den Blick über den Horizont schweifen ließ. Der Pfeil lag harmlos auf dem locker in der Hand gehaltenen Bogen.
    Plötzlich sprang Eyvindr Kelda hoch. Mit Wucht schlug er dem Bogenschützen das stumpfe Ende des Speeres gegen die Stirne und raubte ihm das Bewusstsein.
    Hastig fesselte Eyvindr den Bewusstlosen, nahm Bogen und Köcher, gab Kyrrispörr das unterarmlange Kampfmesser und den dicken Mantel des Mannes und machte mit dem Kopf eine Bewegung zu dem Grubenhaus. Sie huschten hinüber, so leise sie konnten, was angesichts des Lärms der Tiere aber eigentlich gar nicht notwendig gewesen wäre.
    »Wo steckt denn dein Falke?«, zischte Eyvindr Kelda, als sie sich in den Schatten des niedrigen Grubenhausdaches drückten.
    »Da drüben, wo wir geschlafen haben, gleich am Eingang!«
    »Gut. Die Leute sind ganz damit beschäftigt, das Feuer zu bestaunen. Geh rüber, aber langsam und ganz selbstverständlich, hörst du? Niemandem wird es auffallen, dass du einer von den Seimönnum bist. Aber du musst natürlich jeder direkten Begegnung aus dem Weg gehen, damit dich niemand erkennt. Ich bleibe hier, und wenn etwas schiefgehen sollte, renne nicht zu mir zurück, sondern schräg an mir vorbei. So werde ich freies Schussfeld haben.« Eyvindr Kelda zupfte an der Bogensehne. »Verstanden? Und beeil dich! Aber geh langsam! Los!« Kyrrispörr schlug das Herz bis zum Hals, als er aus dem Schatten des Grubenhauses in den Feuerschein hinaustrat. Es kostete ihn große Selbstbeherrschung, nicht einfach loszurennen. Ihm war, als würde ihn jeder einzelne der Schemen dort am Feuer plötzlich anstarren. Ruhig, nur ruhig …, ganz ruhig, es wird nichts
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