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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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mit Heimtücke, mal mit einer Streitmacht niederringt. Den Seimann Eyvind Kelda versucht Tryggvason bei einem Festgelage zu verbrennen und gegen Rau den Starken, der als Magier (blótmar) bezeichnet wird, muss sein Bischof (Sigurr biskup) mit christlichem Gebet das magische Unwetter über dem Fjord vertreiben, damit Olafs Flotte passieren kann. Interessant ist aber auch die Bezeichnung ›Seimar‹ an sich. Ihr Vorbild scheint das magische Wirken des Sei im Gott Oinn zu haben, dessen Versenkung und Erleuchtung dem Sei zugrunde liegt. Durch ein Geflecht aus Tabus war die Anwendung des Sei laut einiger isländischer Quellen Frauen und aus dem Raster des ›Normalen‹ fallenden Männern vorbehalten. So ist von Sei häufig als speziell weiblicher, von Frauen eingesetzter Magie die Rede und zieht natürlich auch allerlei Spekulationen bis in den sensationsreichen homosexuellen Bereich hinein nach sich. Wirklich auseinandergesetzt hat sich die Forschung mit diesem Thema allerdings bislang recht wenig. Vielleicht auch, weil es sich um ein in esoterischen Kreisen beliebtes Thema handelt, das dank dünner Quellenlage angefüllt werden kann mit Scheinwissen und reinem Wunschdenken aus gefälliger Sinnzuschreibung und Deutung. In der Saga Olafs treten die zahlreichen Seimenn als gar nicht verweiblichte Männer auf, die eher an in schamanistischer wie in real-kämpferischer Hinsicht beschlagene Krieger und Kleinfürsten erinnern. Nun darf hierbei nicht vergessen werden, dass es sich bei den Sagas nicht um akademische Werke handelt, deren Begriffen feste Definitionen zugrunde liegen würden; dass jedoch fortwährend von Seimönnun die Rede ist und nicht etwa von Blótmönnun, ist durchaus beachtlich.
    Für eine belletristische und frei erfundene Handlung bot sich die Interpretation von Schamanen bei indigenen nordamerikanischen Völkern und bei gegenwärtig noch tätigen traditionellen Schamanen Nordskandinaviens vermischt mit der in der Saga überlieferten Rolle der Magier als mächtige Mitglieder der Gesellschaft an. So fußt das Heilungsritual, das Kyrrispörr an einem Knaben vollzieht, auf dem Ritual eines Sami-Schamanen. Der schwarze Stein, den Kyrrispörr an anderem Ort aus dem Bauch eines Kranken zieht und damit die Krankheit bannt, ist wiederum der gegenwärtigen zauberischen Praxis aus anderen Erdteilen entlehnt.
     
    Doch mit Entrückung allein wäre den Wikingern kaum die historische Rolle zugefallen, die sie bis heute insbesondere in der Populärkultur innehaben. Dazu gehörte nicht allein die Gewalttätigkeit eines Olaf Tryggvason und seiner Standesgenossen, sondern auch ein ganz anderer Aspekt: Vor allem waren sie umtriebige Fernhändler. Sie legten unermüdlich enorme Strecken in ihren seetüchtigen Frachtbooten zurück. Wer handelt, braucht Handelszentren, um seine Ware effektiv verkaufen zu können. Eines dieser Handelszentren war Heiabýr.
    Heiabýr, Hedeby oder heute Haithabu ist ein faszinierendes Beispiel für eine mittelalterliche Handelsstadt. Am Ufer des Haddebyer Noors an der Schlei in der Nähe des heutigen Schleswig gelegen, gehört es zu einem der bestuntersuchten archäologischen Ausgrabungsstätten der Wikingerzeit. Da das Stadtgebiet in dem heute noch vorhandenen Halbkreiswall später nie bebaut worden ist, bietet es einen unermesslichen Schatz an Fundstücken und Erkenntnissen aus der Alltagsgeschichte einer der internationalen Handelsstädte ihrer Zeit. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG geförderte Kartierung des Areals mit modernen Untersuchungstechniken ließ einen kompletten Stadtplan entstehen, aus dem sich auch Rückschlüsse auf die Verteilung der zahlreichen Handwerke ziehen lassen: Glasperlenmacher, die die bunten Träume für die weibliche Oberschicht fertigten sowie Gold- und andere Kunstschmiede, die den Bedarf an ebenso teuren wie billigen Modeartikeln befriedigten, sind nur ein paar davon.
    In Heiabýr wurde unter der Obhut des dänischen Königs Waren aller Art gehandelt: Ob es nun Gewürze aus dem Orient waren, Wetzstein aus Norwegen, Blei aus England, Walrosszahn aus Island und Grönland, Gerfalken aus Norwegen, Sklaven von überall her die Stadt muss ein faszinierender Ort gewesen sein. Und doch wurde sie in den 1060er-Jahren niedergebrannt und – für die archäologische Forschung zum Glück – nicht wieder aufgebaut; Schleswig übernahm da die Führungsrolle.
     
    Falken waren ein begehrtes Handelsgut. Wenngleich das erste überlieferte europäische
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