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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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bist? Du bist mir einer!«
    Kein Zweifel, dachte Kyrrispörr, er musste in Walhall sein. Er, Kyrrispörr Hæricson, war auf der Flucht, aber kämpfend, gefallen, und deswegen war er jetzt im Himmel. Nur konnte er sich beim besten Willen an keinen Kampf erinnern. Wo waren seine Mutter, sein Vater und seine Großeltern, die doch vor ihm gestorben waren und ihn in Walhall empfangen müssten? Oder hatte Olafr Tryggvason doch mit seinem Christentum und seinem Paradies recht? Aber wie kam er ins Paradies, er war doch gar kein Christ, und Eyvindr erst recht nicht? Und weshalb diskutierte Eyvindr Kelda überhaupt mit anderen Leuten? Er lehnte sich an den Bottichrand. In Walhall wurde bestimmt nicht jede Bewegung mit einem Schmerz belohnt, und schon gar nicht in Olafs Himmel. Andererseits erschien ihm die junge Frau von wahrhaft überirdischer Schönheit, gerade wo sie über seinen verwirrten Blick kicherte und dabei verschämt die Hand vor den Mund hielt.
    Aber selbst ihre Schönheit konnte seine Neugier nicht bezähmen: Wo war er? Kyrrispörr legte die Arme auf den Bottich und sah sich um. Er befand sich im Freien, nahe einem kleinen Gehöft, das, eingerahmt von Wald, in einem engen Tal stand. Mehrere Zelte waren darum herum aufgeschlagen worden, und an einigen standen Speere mit Wimpeln, die Kyrrispörr von König Olafs Feier her kannte: Es waren Verbündete und Gefolgsleute der Seimenn. Schnee glitzerte in der Sonne.
    Erinnerungen an die Nacht kehrten zurück. Da war das Fest mit dem königlichen Methorn, da war plötzlich Qualm, dann das Feuer, das alles verschlungen hatte, beinahe auch Eyvind Kelda und ihn, sie hatten sich ja schon Schwert und Messer an die Kehle gesetzt, um nicht verbrennen zu müssen … Die Flucht aus dem Rauchloch … und die Suche nach seinem Falken und Hvelp, wie er beinahe – oder hatten sie ihn doch erschlagen? Kyrrispörr war sich nicht sicher.
    »Respekt, Seimar!«
    Kyrrispörr spürte, wie Eyvindr Kelda ihm kräftig die Hand auf die Schulter drückte. Und er sah die achtungsvollen Blicke der Umstehenden. Als er dann auch noch schräg hinter sich den gellenden Schrei seines Falken hörte, stellte sich ein angesichts des erlittenen Verlusts geradezu abwegiges Glücksgefühl bei ihm ein. Für einen Augenblick gelang es ihm, stolz auf das Lob des Meistersehers zu sein – er ließ sich gegen den Bottich zurücksinken, legte den Kopf in den Nacken und genoss die Sonne. Als er sich dann aufrichtete, um aus dem Bottich zu steigen, versagten ihm fast die Beine. Sein ganzer Körper war ein einziges Zerren und Reißen. Er musste sich auf Æringa stützen und ließ sich bereitwillig von ihr trockenreiben. Als er sich, in ein Rentierfell gewickelt, vor die Zelte des provisorischen Heerlagers legte, überkam ihn sogleich eine tiefe Müdigkeit.
    »Laggar«, murmelte er, hörte auch noch, wie Æringa Eyvind Kelda rief, dann nickte er ein.
     
    Es war tiefe Nacht, als er erwachte. Zusätzlich zu dem Fell hatte jemand ihn in eine Schurwolldecke gewickelt, und so war es ihm trotz der Eiseskälte der Frühlingsnacht angenehm warm. Er starrte hoch zu den Sternen. Kyrrispörr drehte den Kopf. Die Silhouette einer Federkugel, die auf einem Bein auf einem Block stand, zeichnete sich zu seiner Rechten ab. Eyvindr Kelda hatte tatsächlich Laggar zu ihm gestellt, dachte Kyrrispörr und spürte tiefe Dankbarkeit. Während er wieder in den Schlaf wegdämmerte, raschelte der Falke ab und zu mit dem Gefieder. Der Klang rief Bilder von damals in Kyrrispörr wach, wie er mit Hvelp und Hæric einen jungen Falken gefunden hatte. Er glaubte, wieder das Fiepen zu hören und die unbestimmte Furcht zu spüren, die ihn und Hvelp begleitet hatte, als sie auf der Suche nach der Quelle des Geräuschs in den nächtlichen Wald vorgedrungen waren. Es schob sich das Bild vor sein geistiges Auge, wie Hvelpr bei diesem Ausflug abgeglitten war in die aufgepeitschten Fluten des Wasserfalls, den sie kurz zuvor überquert hatten, wie er Kyrrispörr einen um Hilfe flehenden Blick zugeworfen hatte, ehe er vom Sog des Wassers hinabgezogen worden war. Wieder war da Hvelpr mit Schild und Axt, als er im Feuerschein des brennenden Langhauses auf ihn zugekommen war, voller Freude, seinen Freund lebendig wiederzusehen, wie er die Arme ausbreitete und Eyvinds Pfeil ihn fällte.
    Kyrrispörr schrak so heftig aus dem Schlaf, dass Laggar einen empörten Pfeifton von sich gab. Keuchend setzte er sich auf und kraulte den Falken, um sich zu beruhigen,
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