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Ambler by Ambler

Ambler by Ambler

Titel: Ambler by Ambler
Autoren: Ambler by Ambler
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Titel der englischen Originalausgabe
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    Copyright © 1985 by Eric Ambler
    Umschlagfoto von Reinhart Wolf
    Deutsche Erstausgabe
    Alle deutschen Rechte vorbehalten
    Copyright © 1986 by
    Diogenes Verlag AG Zürich
    60 / 86 / 8 / 1
    isbn 3257017065
    1
    E
    in bärtiger Mann blickte durch die Fensterscheibe, sah mich einen Moment lang an und sagte dann etwas, was ich nicht verstand. Er sah aber, daß ich jetzt bei Bewußtsein war, und es gelang ihm, die Tür neben mir zu öffnen. Er streckte eine Hand aus, und mit seiner Hilfe konnte ich auf das Gras hinausklettern.
    Das Auto lag ganz unten in dem tiefen Graben, der parallel zu diesem Abschnitt der Autobahn Lausanne-Genf verläuft, und mein Helfer war der deutsche Lastwagenfahrer, der gesehen hatte, wie ich vor ihm von der Fahrbahn abgekommen war. Das Auto hatte sich zweimal überschlagen, war dann, quer durch eine Gruppe junger Baume, die Böschung hinuntergepurzelt und schließlich wieder auf den Rädern gelandet, mit der Schnauze in die Richtung zeigend, aus der es gekommen war.
    In der Schweiz werden die Autobahnen von Gendarmerie patrouilliert, und dem Wachtmeister, der ein paar Minuten später eintraf, hatte man beigebracht, geduldig umzugehen mit denen, die sich auf seinem Territorium mit Blut beflecken. Nachdem er meinen schweizerischen Führerschein an sich genommen und über Funk einen Krankenwagen angefordert hatte, hockte er sich neben mich ins Gras und fragte, was passiert sei. Der Lastwagenfahrer war hundert Meter oder mehr hinter mir gewesen, sonst niemand auf dieser Seite der Autobahn. Mein Auto sähe aus, als sei es neu gewesen. Ob ich vielleicht irgendwelche Knöpfe ausprobiert hätte, mit denen ich mich nicht auskannte? Ob ich vielleicht den Blick zu lange von der Fahrbahn abgewendet hätte?
    Ich versuchte, ihm die Sache zu erklären, doch es fiel mir schwer, die richtigen französischen Ausdrücke zu finden. Jawohl, das Auto war neu, nicht einmal einen Tag alt. Der Händler, bei dem ich es gekauft hatte, hatte erwähnt, daß der Hersteller bei der Motormontage ein neuartiges chemisches Konservierungsmittel verwende, das anfangs noch Rauch und Dämpfe abgeben würde. Ich sollte mich nicht darum kümmern. Also hatte ich mich nicht darum gekümmert. Die ganze Zeit hatte ich mich nicht darum gekümmert, auf der Seeuferstraße nach Ouchy nicht und auch nicht auf der Autobahn bis kurz vor dem Genfer Flughafen. Während dieser Fahrt von fünfzig Minuten war ich ganz langsam erstickt.
    Aber mir wollte nicht einfallen, was erstickt auf Französisch heißt. Das Wort war (und ist) asphyxié . Ich erinnerte mich, irgendwann mal gehört zu haben, daß Gehirnerschütterung einem die merkwürdigsten Streiche spielen kann. In einem unklugen Versuch, ruhig und gesammelt zu wirken und im Besitz all meiner Kräfte zu erscheinen, verwendete ich statt dessen das Partizip endormi.
    Der Wachtmeister hakte sofort nach. »Sie sind während des Fahrens eingeschlafen?«
    »Natürlich nicht. Um halb zwei am Nachmittag? Nein …«
    »Wo waren Sie gestern nacht, und wieviel Stunden Schlaf haben Sie gehabt?« Er hielt sich jetzt genau an seine Vorschriften. Das waren die entscheidenden Fragen, die er Fernfahrern stellte, wenn er sie bei Verstößen gegen die Verkehrsvorschriften erwischte.
    »Ich war in meinem Haus in Clarens. Ich bin zur üblichen Zeit ins Bett gegangen. Ich habe reichlich Schlaf gehabt.«
    »Auf diesem Teil der Autobahn, Monsieur, schlafen die Fahrer immer ein, zu jeder Tages- und Nachtzeit und egal, wie alt sie sind. Selbst die Jungen schlafen ein.« Er warf wieder einen Blick auf meinen Führerschein, und seine Lippen bewegten sich, während er rechnete. Zweiundsiebzig, geht auf die dreiundsiebzig zu. Er sah mir in die Augen. »Hatten Sie den Gurt angelegt?«
    »Nein.«
    Ich hätte lügen sollen. Im Gegensatz zu so vielen anderen in den nächsten Tagen wies er mich nicht darauf hin, daß ich von Glück reden konnte, noch am Leben zu sein. Er war der Typ Polizist, der die außergewöhnliche Qualität meines Glücks, von der Quantität ganz zu schweigen, sehr viel besser erkannt hatte als die meisten anderen. Sein Wunsch, ich sollte mir dieses Glück auch verdienen, war naheliegend. Wäre ich angeschnallt gewesen, hätte sich dieses Glück teilweise damit erklären lassen, daß ich umsichtig gewesen war und die Vorschriften, denen Geltung zu verschaffen er von
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