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Sharpes Lösegeld

Sharpes Lösegeld

Titel: Sharpes Lösegeld
Autoren: Bernard Cornwell
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    Richard Sharpe streifte die Stiefel von den Füßen, fasste sich mit beiden Händen ins Kreuz, beugte den Rücken nach hinten und grunzte vor Schmerz. »Ich hasse die verdammten Zahnräder«, sagte er.
    »Was ist denn mit den verdammten Zahnrädern?«, fragte Lucille.
    »Festgerostet«, sagte Sharpe und vertrieb eine Katze von dem Küchenstuhl, indem er ihn ankippte. »Das Schütz arbeitet nicht, ehe der Rost entfernt ist, und die Zahnräder sind seit Jahren nicht mehr geschmiert worden.« Ächzend setzte er sich. »Ich muss die Dinger bis aufs nackte Metall freiklopfen, und dann muss der Graben auch noch geräumt werden.«
    »Das Schütz?« Lucille wusste nicht, was er meinte. Sie lernte die englische Sprache noch.
    »Mit dem das Wasser gestaut wird, das im Graben zur Mühle fließt, Liebchen. Und der Graben ist voll mit Abfall.« Sharpe schenkte sich Rotwein ein. »Dafür brauche ich eine Woche.«
    »Übermorgen ist Weihnachten«, sagte Lucille.
    »Und?«
    »Also ruhst du dich an Weihnachten aus«, bestimmte Lucille, »und der Graben und das Schütz und die verdammten Zahnräder ruhen sich auch aus. Schließlich ist es ein Feiertag. Ich brate dir eine Gans.«
    Lucille nahm einen Haufen schmutziges Geschirr vom Tisch und folgte dem Gang zur Spülküche. Sharpe kippte den Stuhl zurück und beobachtete sie, und Lucille, die wusste, dass sie beobachtet wurde, wiegte betont die Hüften.
    »Wenn du Essen willst«, rief sie dann aus dem Raum am Ende des Gangs, »der Herd braucht Holz.«
    Sharpe sah auf, als eine Bö um die hohen Giebel des Bauernhauses pfiff. Vor einem Jahr, bei seiner Rückkehr aus dem Waterloo-Feldzug, war das große Giebeldach undicht gewesen, und an jeder Tür und jedem Fenster hatte es gezogen. Sharpe hatte das Dach neu gedeckt, die Fensterrahmen frisch verputzt und die Türen abgedichtet. Das hatte eine Stange Geld gekostet, das komplett aus dem Halbsold stammte, den er als pensionierter britischer Offizier erhielt, denn der Hof warf keinerlei Gewinn ab. Jedenfalls noch nicht, und ob er es je tun würde, stand zu bezweifeln.
    »Verdammte Froschfresser mit ihren Steuern«, murrte Sharpe, als er Holz im Herd nachlegte. Er schloss die Tür der Feuerung und hängte seine nassen Stiefel zum Trocknen an den Kaminsims. Sie durften nicht allzu nah an die Wärmequelle gebracht werden, sonst wurde das Leder rissig, aber er hatte sein altes Gewehr über dem Kaminsims aufgehängt, und indem er einen Stiefel von der Mündung und den anderen vom Schloss baumeln ließ, stellte er sicher, dass sie am nächsten Morgen trocken sein würden. Er hielt inne, berührte den Gewehrkolben und versank in Erinnerungen.
    »Vermisst du es?« Lucille war in die Küche zurückgekehrt.
    »Ich habe gar nicht an die Army gedacht«, antwortete Sharpe, »sondern überlegt, morgen ein paar Füchse zu schießen, bevor sie uns die letzten Hühner und Enten wegholen. Danach muss ich wieder an die verdammte Mühle. Weihnachten hin oder her, ich muss die Zahnräder blank kriegen, den Graben ausräumen und die Radschaufeln erneuern. Gott allein weiß, wie lange das dauert.«
    »Früher hätte uns das ganze Dorf geholfen, und am Ende der Arbeit hätten wir für die Leute ein Festessen gegeben.«
    »Das war die gute alte Zeit«, erwiderte Sharpe, »und sie war zu gut, um Bestand zu haben. Ich brauche doch im Dorf gar nicht erst um Hilfe zu fragen, oder? Die erschießen mich eher, als dass sie mir zur Hand gehen.«
    »Du musst ihnen Zeit lassen«, sagte Lucille. »Sie sind Bauern. Wenn du erst mal zwanzig Jahre hier gelebt hast, werden sie dich kennen.«
    »Oh, die kennen mich ganz genau«, erwiderte Sharpe. »Sie weichen auf die andere Straßenseite aus, damit sie nicht dieselbe Luft atmen müssen wie ich. Es liegt an diesem verfluchten Malan. Der hasst mich wie die Pest.«
    Lucille zuckte mit den Schultern. »Der arme Jacques ist noch immer ein treuer Anhänger Bonapartes«, sagte sie. »Er war gern bei der Armee. Und außerdem …« Sie zögerte.
    »Außerdem was?« Sharpe sah sie auffordernd an.
    »Es ist lange her, ich war noch ein Mädchen, und Jacques Malan dachte, er liebt mich. Er hat mir nachgestellt. In einer Nacht war er sogar auf dem Dach!« Sie klang empört. »Er hat durch mein Schlafzimmerfenster geguckt!«
    »Und, hat er was Schönes gesehen?«
    »Mehr, als er sehen sollte!«, rief Lucille. »Mein Vater war furchtbar wütend, dass Jacques es überhaupt wagte, an mich zu denken. Jacques war ein Bauer, und mein Vater war der
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