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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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herrschte ein Höllenlärm. Zwar waren vom brennenden Langhaus keine Schreie mehr zu hören, aber das Feuer donnerte wie ein Wirbelsturm. Sämtliche Hunde bellten, durch den Brandgeruch alarmiert, wieherten die Pferde, und auch die Kühe ließen sich vernehmen. So bemerkte niemand, dass zwei Flüchtlinge den Ring aus Bewachern durchbrochen hatten. Die Nacht verschluckte die einzigen Überlebenden des Hinterhalts, in die König Olafr Tryggvason seine einstigen Berater gelockt hatte.
     
    »Wo kam das Feuer plötzlich her?«, japste Kyrrispörr, als sie am Rand eines kleinen Wäldchens zusammenbrachen. Sein Herz raste. Die Kälte des Schnees spürte er nicht, stattdessen schmerzte die Haut überall so sehr, als stehe sie in Flammen. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er mit einer breiigen Masse voller Steinsplitter gefüllt. Jeder Atemzug wurde von einem hohen Pfeifen begleitet. Wieder war es ihm, als müsse er ersticken. Er krallte die Hände in den Boden.
    »Atme ruhig!«, herrschte Eyvindr Kelda ihn an. »Zwing dich! Atme ruhig! Ruhig!«
    Es brauchte eine Weile, bis Kyrrispörr sich selbst wieder unter Kontrolle hatte. Langsam wich dieses furchtbare Gefühl, nicht genügend Luft zu bekommen. Nur seine Haut glühte trotz des stetigen, kühlen Windes, der aus dem Fjord herüberwehte.
    »Geht es wieder? – Gut. Der König hat das Feuer legen lassen«, stellte Eyvindr nüchtern fest.
    »Du hast ihm nicht getraut«, stellte Kyrrispörr fest. Das Sprechen kostete ihn Kraft.
    Eyvindr sah ihn lange an. »Du hast eine scharfe Beobachtungsgabe, Kyrrispörr Hæricson. Ich hätte nicht gedacht, dass er so weit gehen würde. Eine Intrige, ja. Gift vielleicht, obwohl das Olaf nicht ähnlich sähe. Aber dass er eine königliche Feier für einen derart niederträchtigen Hinterhalt missbrauchen würde … Respekt.« Eyvindr schüttelte den Kopf und ließ sich in den Schnee sinken.
    »Die anderen … Sie werden doch aus dem Haus gekommen sein … Die Holzwände werden doch durch das Feuer morsch …«
    Wieder sah Eyvindr ihm ins Gesicht.
    »Vielleicht«, murmelte er. Es klang wie eine schlechte Lüge. »Nein«, verbesserte er sich. »Nein, Kyrrispörr. Das Haus brannte an allen Seiten. Wir sind dem Tod nur um Haaresbreite entronnen. Du selbst wärst erstickt im Rauch, wenn ich dich nicht gepackt hätte, und ich mit dir, wenn du mir nicht den Ausweg gezeigt hättest. Nein. Kein anderer hat das überlebt. Keiner.«
    »Aber mein Vater war noch da drin!« Panik gab Kyrrispörr die Kraft aufzuspringen. Doch Eyvindr Kelda drückte ihm die Hand auf die Schulter, und die Berührung allein tat derart weh, dass Kyrrispörr winselte und seine Beine wie von selbst unter ihm wegklappten.
    »Hier, trink.« Eyvindr Kelda hatte ein handtellergroßes, flaches Fläschchen aus seiner Gürteltasche gezogen und streckte es Kyrrispörr hin. »Es ist süß und stärkend.«
    Kyrrispörr spürte, wie ihm der Hals des Fläschchens zwischen die Zähne geschoben wurde. Die Flüssigkeit schmeckte zwar wirklich sehr süß, aber zugleich so bitter, dass er sie unwillkürlich ausspucken wollte. Eyvindr hielt sein Kinn mit den Fingern hoch, sodass er nicht anders konnte, als zu schlucken. Wie Feuer rann die Flüssigkeit seine vom Einatmen des Qualms gereizte Kehle hinunter. Er hustete, als Eyvindr das Fläschchen wieder verkorkte.
    »Das wird dir guttun«, versprach der Meisterseher. Tatsächlich spürte Kyrrispörr, wie sich in seinem Magen eine wohltuende Wärme ausbreitete.
    Eine Weile saßen sie schweigend da. Jetzt, ausgerechnet jetzt waren Kyrrispörrs Tränen versiegt. Er sah nur Schwärze. Sollte es das wirklich gewesen sein? Sollte das Letzte, was ihn an seinen Vater erinnerte, wirklich dessen Spott und sein eigener Zorn darüber gewesen sein?
    So durfte es doch nicht enden! Aber Eyvinds Gewissheit ließ keinen Zweifel zu: Es hatte so geendet. Hæricr Harekson war tot. Mitten aus dem Leben gerissen, aus einem rauschenden Fest.
    »Leih mir dein Schwert«, bat Kyrrispörr tonlos. »Ich erschlage den König.«
    Eyvindr wies die leere Schwertscheide vor.
    »Auch mein Schwert, Kyrrispörr, ist in den Flammen zurückgeblieben. Ich habe nur diesen Speer. Komm, wir müssen jene finden, die uns noch treu sind.«
    Kyrrispörr musste daran denken, wie sie sich beinahe gegenseitig umgebracht hätten. Alles hatte er in den Flammen verloren. Alles, was … Da schrak er hoch. Fast alles!
    »Warte«, krächzte Kyrrispörr. Eyvindr drehte den Kopf.
    »Bewahre
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