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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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Die Festgemeinde nahm begeistert auf, dass ihm der Geduldsfaden gerissen war. Ehe er sich beherrschen konnte, brach die Wut sich Bahn. »Und meine Mutter ist da geblieben! Im Feuer, und ihr lacht, ihr …« Er spürte, wie es ihm die Tränen in die Augen drücken wollte, ausgerechnet auf diesem Fest, und dafür kam er sich höchst albern vor. Um sich herum sah er höhnische Fratzen, schauerlich anzusehen im Schein des Feuers, aber – roch es hier nicht nach Schwelbrand?
    »Riecht ihr den Rauch?«, rief er alarmiert.
    »Mein Jungchen, es ist hier alles verraucht, natürlich riecht’s hier nach Rauch!«
    »Nein, nach Brand! Es riecht nach einem Brand!« Er sah, wie Eyvindr Kelda sich nun gleichfalls umblickte. Jetzt erkannte Kyrrispörr dort hinten, in einer Ecke, die eben noch im Finstern gelegen hatte, hellgelbe Punkte, die wuchsen, wie Glutkäfer umherhuschten, sich vereinigten, er sah, wie sich glitzernde Schlangen an der Holzwand emporschlängelten, und jetzt waren da auch in der anderen Ecke feine hellrote Linien, und auf der anderen Seite erwachten die Schatten ebenso zu einem unheimlichen Leben …
    »Das Haus brennt! Das Haus brennt!«, schrie Kyrrispörr mit sich überschlagender Stimme. Sein Vater drückte ihn auf die Bank zurück.
    »Erzähl keinen Unsinn, Junge, erzähl keinen Unsinn und trink!«, lallte Hæricr. »Sehe ich da etwa Tränen bei meinem Sohn?«
    Kyrrispörr wollte sich losmachen und deutete wild in die Ecke – aber da sah er, wie sich auch Eyvindr wieder setzte und den Kopf schüttelte. Kyrrispörr kniff die Augen zusammen. Tatsächlich: Die Glutschlangen waren verschwunden. Da war nur Schatten. Er hatte sich das Feuer nur eingebildet. Halb erleichtert, halb beschämt, ließ er sich seinen Becher in die Hand drücken, trank und versuchte, das Spottgelächter der anderen zu überhören. Als hätte man sich nicht schon genug über mich lustig gemacht, dachte er bitter und musste neuerlich gegen Tränen ankämpfen – aber diesmal waren es Tränen der Wut über sich selbst und sein Versagen. Hatte er sich bisher noch halbwegs beherrschen können, merkte er jetzt, wie seine Kraft von Augenblick zu Augenblick nachließ. Kurz haderte er noch mit sich, dann hielt er es nicht mehr länger aus und stand mit einem Ruck auf.
    »Ich muss kurz raus«, murmelte er, als Hæricr fragend zu ihm emporsah. Sein Vater lachte auf, prostete ihm zu und beachtete ihn nicht weiter. Kyrrispörr stolperte von der Tafel fort in eine der Ecken, die schützende Dunkelheit spendeten und bereits nach der Benutzung durch trinkfreudige Gäste rochen. Er lehnte den Ellenbogen gegen die Bretterwand und stemmte die Stirn darauf. Selbstmitleid, Zorn und Enttäuschung über sich selbst zupften an seinen Mundwinkeln.
    Ich und ein Seimar!, dachte er voller Selbsthass. Von wegen! Behandelt werde ich wie ein kleiner Knabe, und mein Wort hat nicht mehr Gewicht als das eines Sklaven, eines Þrælls! Ich bin kein Seher, ich bin ein blöder Schwachkopf, der sich wer weiß was einbildet.
    Verzweifelt starrte er in die Schwärze unter sich. Jetzt flenne ich auch noch – nein, ein Schwert habe ich wahrlich nicht verdient! Wie recht mein Vater doch hat!
    Er schnappte nach Luft. Der Rauch, der ihm in die Nase stieg, reizte seine Lunge und er hustete. Raus hier, ich habe hier nichts mehr verloren, ich gehöre an die frische Luft zu den anderen Schwachköpfen, dachte er und stolperte halb blind vor Tränen zur Tür. Er wollte sie mit dem Fuß auftreten, aber sie rührte sich nicht. Mit einem Fluch griff er zum Riegel, aber der war bereits zurückgezogen. Natürlich klemmt das Mistding bei mir, dachte Kyrrispörr, legte die Hände aufs Türblatt – und sprang mit einem Aufschrei zurück. Es war glutheiß! Erst jetzt bemerkte er, wie feine, schwarze Qualmfäden unter der Tür hindurchkrochen und die Spitzen des Strohs, mit dem der Boden bedeckt war, sich wie unter großer Hitze zu winden begannen. Fassungslos starrte er vor sich hin, glaubte es sich wieder nur einzubilden und blinzelte, aber der Qualm verschwand nicht etwa. Stattdessen sah er jetzt auch noch ein unheilvolles tiefrotes Glimmen in den Fugen!
    Kyrrispörr drehte sich zu den Feiernden um, die ahnungslos grölten und soffen.
    »Feuer! Es brennt! Das Haus brennt!«, schrie er mit sich überschlagender Stimme. Für einen Moment verstummten alle und starrten zu Kyrrispörr hinüber, dann brachen sie in schallendes Gelächter aus.
    »Schon wieder, der Seimar Kyrrispörr brennt
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