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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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geschlagen, war rastlos, ja sogar ohne das Bedürfnis nach Ruhe zur Welt gekommen.
    Wir saßen in freundschaftlichem Schweigen beieinander. Ich kannte ihn, seit er – damals war ich sieben und Stahr zweiundzwanzig – vor zwölf Jahren Vaters Partner geworden war. Wylie saß auf der anderen Gangseite, und ich wusste nicht recht, ob ich die beiden miteinander bekannt machen sollte oder nicht, aber Stahr drehte so gedankenverloren an seinem Ring herum, dass ich mir jung und unsichtbar vorkam und mich nicht dazu aufraffen konnte. Ich habe mich nie getraut, von ihm wegzusehen oder ihn direkt anzuschauen, wenn ich nicht gerade etwas Wichtiges zu sagen hatte – und ich wusste, dass viele Menschen ebenso auf ihn reagierten.
    [28] »Ich schenke dir den Ring, Cecelia.«
    »Entschuldige. Ich wusste nicht, dass ich…«
    »Von der Sorte habe ich ein halbes Dutzend.«
    Er reichte ihn mir, ein Goldnugget, auf dem der Buchstabe S erhaben herausgearbeitet war. Ich hatte gerade überlegt, wie eigenartig dieses klobige Stück an seiner Hand wirkte, die schlank und zart war wie sein ganzer Körper mit dem schmalen Gesicht, den gewölbten Augenbrauen und dem dunklen lockigen Haar. Manchmal wirkte er ganz vergeistigt, aber er war ein Kämpfer. Einer, der Stahr von früher kannte, als er zu einer Jugendgang in der Bronx gehörte, hat mir mal geschildert, wie dieser eher schmächtige Junge, hin und wieder aus dem Mundwinkel oder über die Schulter eine Anweisung nach hinten rufend, immer an der Spitze des Zuges marschierte.
    Stahr legte meine Finger um den Ring, stand auf und wandte sich an Wylie: »Du kommst mit in die Hochzeitssuite. Bis später, Cecelia.«
    Ich hörte Wylie noch fragen: »Hast du den Brief von Schwartze aufgemacht?«, und Stahrs Antwort:
    »Noch nicht.«
    Ich bin wohl etwas schwer von Begriff, denn erst in diesem Augenblick ging mir auf, dass Stahr Mr. Smith war.
    Später hat Wylie mir erzählt, was in dem Brief stand, der, im Licht der Taxischeinwerfer geschrieben, fast unleserlich war.
    Lieber Monroe,
    Sie sind der Beste von allen ich bewundere Ihre Gesinnung und dass alles keinen Sinn hat wenn Sie gegen [29] mich sind ist mir klar. Mit mir ist nichts mehr los und die Reise zu Ende lassen Sie sich noch einmal warnen geben Sie acht. Ich weiß Bescheid.
    Ihr Freund
    Mannie
    Stahr las den Brief zweimal und fasste sich an das morgendlich stoppelige Kinn.
    »Der Mann ist kaputt«, sagte er. »Da kann man nichts machen, absolut nichts. Dass ich so kurz angebunden war, tut mir leid – aber ich mag es nicht, wenn einer sich mit der Behauptung an mich heranmacht, es sei zu meinem Besten.«
    »Vielleicht war es das ja«, sagte Wylie.
    »Schlechte Taktik.«
    »Ich würde drauf reinfallen«, sagte Wylie. »Ich bin eitel wie eine Frau. Wenn jemand vorgibt, sich für mich zu interessieren, nutze ich das aus. Ich lasse mir gern raten.«
    Stahr schüttelte angewidert den Kopf. Wylie flachste weiter; er gehörte zu denen, die sich das bei Stahr leisten konnten.
    »Auf manche Schmeicheleien fällst du auch rein«, sagte er. »Wenn man vom ›kleinen Napoleon‹ spricht.«
    »Das kotzt mich an«, sagte Stahr, »aber immer noch besser als einer, der einem unbedingt helfen will.«
    »Wenn du keinen Wert auf Ratschläge legst, möchte ich wissen, wofür du mich bezahlst.«
    »Weil mir an einer bestimmten Ware gelegen ist«, sagte Stahr. »Ich bin Kaufmann und will kaufen, was du im Kopf hast.«
    [30] »Du bist kein Kaufmann«, sagte Wylie. »Die kenne ich zur Genüge aus meiner Zeit im PR -Geschäft und kann da nur Charles Francis Adams beipflichten.«
    »Was hat der gesagt?«
    »Er hat sie alle gekannt – Gould, Vanderbilt, Carnegie, Astor – und wollte nicht einen von denen im Jenseits wiedersehen. Besser sind sie seither nicht geworden, und deshalb behaupte ich, dass du kein Kaufmann bist.«
    »Ich schätze, bei Adams war viel Missgunst im Spiel«, sagte Stahr. »Er wollte selbst an die Spitze, aber er hatte nicht genug Urteilsvermögen oder Charakter.«
    »Er hatte Grips«, gab Wylie ziemlich scharf zurück.
    »Grips allein genügt nicht. Wenn ihr Autoren und Künstler ausflippt und euch verrennt, muss jemand euch den Kopf zurechtrücken.« Er zuckte die Schultern. »Ihr seht alles zu persönlich, den Hass wie die Verehrung, und haltet die Menschen für schrecklich wichtig – euch allemal. Kein Wunder, dass ihr euch von aller Welt herumschubsen lasst. Ich mag die Menschen und mag es, wenn sie mich mögen, aber ich trage mein
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