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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)
Autoren: Martin Bleif
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Dieses Buch wollte ich nie schreiben …
    … jedenfalls so nicht. Ein Buch über Krebs – ja gewiss. Seit Jahren hatte ich Gedanken und Ideen gesammelt, langsam reifte das Konzept. Und dann kam von einem Augenblick zum nächsten alles ganz anders …
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    Donnerstag, 10. April 2008
    E s begann mit einem Telefongespräch von einer knappen Minute. Am anderen Ende der Leitung war der Direktor der Pathologie. Er zögerte einen Augenblick zu lange, bevor er zu sprechen begann. Schlagartig war mir klar, dass unsere Welt gerade zerstört wurde: »Ja, ich muss Ihnen leider sagen, es ist bösartig. Ein entdifferenziertes, schnell wachsendes Mammakarzinom. Die genauere Differenzierung kann ich Ihnen erst morgen nach Abschluss der immunhistologischen Untersuchungen mitteilen.«
    Schweigen. Der vorsichtige, durch die österreichische Färbung weich gedämpfte Ton seiner Stimme bemäntelte die Botschaft nicht. Imogen, meine Frau, hatte Brustkrebs!
    Ich antwortete mit einem kurzen »Danke«, sagte noch den Satz: »Das muss ich erst mal verdauen«, legte auf und ließ mich in den Stuhl fallen, um die Übelkeit, die in mir aufstieg, zu unterdrücken. Zwei Minuten. Meinen Kollegen gab ich Bescheid, dass sie heute nicht mehr mit mir rechnen sollten, und fuhr nach Hause, auf einer Strecke, die ich seit Jahren in- und auswendig kannte. Diesmal fuhr ich wie durch einen langen dunklen Tunnel. Es war April, ein kalter, grauer Tag, ein letztes Aufbäumen des Winters. Es nieselte, Außen- und Innenwelt schienen übergangslos ineinanderzufließen und ununterscheidbar zu werden.
    Ich schloss die Haustür auf und rannte die Treppe hinauf ins Kinderzimmer. Meine Frau hatte gerade unsere Tochter, die kaum sechs Monate alt war, in den Schlaf geschaukelt. Ich sagte nichts, als ich vor dem Bett stand, und nahm Imogen in die Arme.
    Sechs Wochen zuvor, vier Monate nach der Geburt unserer Tochter, hatte Imogen einen Knoten in ihrer rechten Brust gespürt – nichts Ungewöhnliches, wenn eine Mutter stillt. Die Ultraschallkontrolle beim Frauenarzthatte trügerische Entwarnung signalisiert. Von einer Milchgangszyste war die Rede.
    Jede Menge Zahlen schwirrten durch meinen Kopf. Die Statistik war ganz auf unserer Seite. Brustkrebs tritt zwar häufig auf, aber selten vor dem 50. Lebensjahr. Imogen war jung, nicht einmal 36 Jahre alt. Keiner der bekannten Risikofaktoren traf auf sie zu: Ihre beiden Großmütter waren knapp 90 Jahre alt und erfreuten sich bester Gesundheit. Bei keiner der zahlreichen Frauen in ihrer unmittelbaren Verwandtschaft war Brustkrebs oder eine andere Art von Krebserkrankung aufgetreten.
    Also war ich zunächst nicht sonderlich beunruhigt, als am Tag zuvor bei einer erneuten Ultraschalluntersuchung »zur Sicherheit« eine Gewebeprobe entnommen worden war. Dennoch hatte ich nachts so gut wie nicht geschlafen, im Rückblick eine Diskrepanz, die mich heute noch irritiert. Denn irgendetwas musste zwischen dem bewussten Denken und den tieferen Schichten meines Gehirns bereits in Bewegung geraten sein und mich trotzdem beunruhigt haben.
    In den drei darauffolgenden Tage pendelten meine Stimmungen zwischen Hoffnung und Bangen hin und her. Jeder Krebsverdacht zieht schier unendliche Folgeuntersuchungen nach sich. Bei diesem sogenannten Staging geht es darum, den feingeweblichen Typ der Erkrankung und das Ausmaß ihrer Verbreitung im Körper so exakt wie möglich zu bestimmen. Jedes neue Ergebnis tariert die Waage zwischen Tod oder Leben neu aus. So muss sich Russisches Roulette anfühlen. Wie eine Lotterie des Todes. Wie viele tausend Male hatte ich diese Prozedur aus der Sicht und Distanz des Arztes miterlebt! Erst jetzt wurde mir klar, um welches Martyrium es sich hier handelt, wenn Menschen sich immer wieder neuen Untersuchungen unterziehen und immer neue Befunde, neue Ergebnisse, die über ihr Leben entscheiden, geduldig abwarten müssen.
    Nach drei Tagen, die nicht zu enden schienen, kannten wir endlich die Fakten. Und wieder hofften und bangten wir zugleich. Imogens Brustkrebsvariante war äußerst aggressiv, aber noch hatte sich der Tumor glücklicherweise, soweit man dies auf den Röntgenbildern sehen konnte, nicht außerhalb der Brust ausgebreitet. Wir atmeten durch. Imogen hatte eine echte Chance, geheilt und wieder gesund zu werden.
    Es folgten Tage des Grübelns. Und mit dem Grübeln kamen die Fragen. Meine Frau war keine Onkologin, sie war Unfallchirurgin, und sie war klug,neugierig und außerordentlich hartnäckig.
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