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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)
Autoren: Martin Bleif
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grundlegendere Einsicht markierte die Entdeckung der Zellen, der »Atome des Lebens«.
    Beide Ebenen, die makroskopische und die mikroskopische Anatomie , geben in erster Linie Aufschlüsse über die Morphologie des Körpers und darüber, wie er sich verändert, wenn er erkrankt. Manchmal erschloss sich aus Gestalt und Struktur auch, wie ein Organ oder ein Organsystem funktioniert. Als William Harvey im 17. Jahrhundert die Anatomie des Blutkreislaufs entschlüsselte, erlaubte sein Coup viele Rückschlüsse auf die Rolle des Herzens, der Arterien, der Venen und der Lungen. Trotzdem glich dieser Blick William Harveys dem eines Ingenieurs auf das Räderwerk einer Maschine. Von dieser Faszination getrieben, erschlossen die Physiologen der damaligen Zeit vor allem mechanische Zusammenhänge des menschlichen Körpers und veränderten langsam, aber nachhaltig das (Selbst-)Bild des Menschen. Julien Offray de la Mettrie, französischer Arzt, Philosoph und Enfant terrible der Aufklärung, trieb das für seine Zeit typische mechanistische Menschenbild auf die Spitze, indem er die Anatomie des Menschen mit einer wohlgeordneten Maschine verglich. 3
    Das Besondere alles Lebendigen liegt aber viel tiefer, geborgen im Inneren winziger Zellen. Diese Dimension jenseits des Mikroskopischen eröffnet sich der Medizin, Biologie und Genetik erst seit ungefähr 100 Jahren. Denn erst auf dieser dritten, äußerst abstrakten Beobachtungsebene erschließen sich die Geheimnisse des Lebens. Der wichtigste Zugang ist das Experiment. Wir Mediziner möchten die Funktionen im Zellinneren verstehen und die ›Sprache‹ entziffern, in der Zellen miteinander kommunizieren. Diese ›Dinge‹ lassen sich im herkömmlichen Sinne des Wortes nicht mehr ›beobachten‹. Wie vermehren sich Zellen, wie differenzieren sie sich? Wie kontrollieren sie ihr Wachstum, und wie versorgen sie sich mit Energie, um sich ständig zu erneuern? Wie statten sie sich mit allen notwendigen Bausteinen des Lebens aus? Und wie ›entsorgen‹ sie ihren Müll und Zellschrott, um unseren Körper hoffentlich über viele Jahrzehnte bei bester Gesundheit zu erhalten?
    Um sich die unglaubliche Leistung
auch nur einer einzigen menschlichen Zelle von einem hundertstel Millimeter Durchmesser zu vergegenwärtigen, muss man sich vorstellen, dass diese eine Zelle mehr chemische Prozesse reguliert und eine weit größere Vielfalt an Substanzen synthetisiert als die mehrere Quadratkilometer große Anlage der BASF in Ludwigshafen, der derzeit weltweit größte Chemiekonzern.
    Vieles, was in den Zellen passiert, ist immer noch rätselhaft, aber das Wissen über diese Vorgänge wächst rasant. Dem menschlichen Auge ist diese Ebene auch nach vielfacher Vergrößerung weitgehend entzogen. Selbst die leistungsfähigsten Mikroskope sind nicht ohne Weiteres in der Lage, solche Vorgänge visuell darzustellen. Dafür verfügen Biochemie, Zell- und Molekularbiologie mittlerweile über ein atemberaubend schnell wachsendes Instrumentarium, um der Zelle ihre Geheimnisse auf andere Art und Weise zu entlocken.
    Zwei Hauptinteressen verfolgt die Medizin:
Sie möchte verstehen, wie Krankheiten entstehen, und sie möchte lernen, wie Krankheiten behandelt werden können. Oft setzt das Hauptinteresse der Medizin, die Behandlung von Krankheit, notwendig das Verständnis der Entstehung voraus. Als die Bakterien und Viren entdeckt waren, verwandelten sich mysteriöse schlagartig in real fassbare Krankheiten, die sich sogar heilen ließen. Plötzlich besaßen die Ärzte ein Konzept und vermochten zu erklären, wie so unterschiedliche Phänomene wie Schnupfen, Lungenentzündung, Pest, Cholera, Tuberkulose oder AIDS entstehen. Auf der Grundlage dieses Konzepts konnten wirksame antibakterielle oder antivirale Medikamente entwickelt werden.
    Ein anderes Beispiel ist die Aufdeckung der Mechanismen, wie jugendlicher Diabetes mellitus (die Zuckerkrankheit) oder Asthma bronchiale entstehen. Eine Überreaktion des eigenen Immunsystems zerstört die Insulin-bildenden Zellen der Bauchspeicheldrüse oder entzündet die Wände der Lungenbälkchen. Als klar wurde, dass Asthma durch Allergene ausgelöst wird, was zu einer Überreaktion des Immunsystems führt, folgte logisch der nächste Schritt, immunsupprimierende und antientzündliche Medikamente in der Asthmatherapie versuchsweise einzusetzen. Die Pathogenese einer Krankheit, also das Verständnis für die Ursachen und die Entstehungsmechanismen einer Krankheit, ist die
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