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KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)

Titel: KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)
Autoren: Martin Bleif
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Substanzen bestehen, die Krebs hervorrufen können. Die Beweisführung erfolgte diesmal jedoch genau umgekehrt: Versuchstiere, hauptsächlich Ratten, wurden an vorher bestimmten Hautstellen mit Teer bestrichen, und anschließend wurde beobachtet, ob Hauttumoren entstehen oder nicht. Dieses Experiment lieferte in der Tat das passende komplementäre Ergebnis zu den Alltagsbeobachtungen bei Schornsteinfegern. Viele Tiere entwickelten Tumoren an exponierten Stellen. Das Verfahren war so effizient, dass es zu einem der ersten Modelle weiterentwickelt wurde, mit denen man Krebs experimentell »produzieren«, also unter Laborbedingungen erzeugen konnte. Erstmals konnten Versuche mit Tumoren durchgeführt werden, die speziell dafür gezüchtet wurden.
    Im Jahr 1907 war der Zusammenhang schließlich so weit anerkannt, dass die Hautkrebserkrankung in England im sogenannten Workmans Compensation Act als Berufskrankheit bei Schornsteinfegern anerkannt wurde. 9 Mehr kann man kaum verlangen, um eine Theorie zu stützen: Eine gut dokumentierte Beobachtung liefert die Hypothese, die im Experiment schließlich vielfach bestätigt wurde.
    Ist Krebs also tatsächlich
eine »Vergiftung«? Entsteht er durch die Aufnahme von krebsverursachenden Substanzen (Kanzerogenen) aus der Umwelt? Obwohl Potts Kanzerogen-Hypothese die erste ernstzunehmende Theorie zur Krebsentstehung war, wurde es nach Potts Tod bis ins frühe 20. Jahrhundertmerkwürdig still um die »Vergiftungs-Theorie«. Eindeutige Beweise für die Gefährlichkeit weiterer Substanzen oder für die Rolle von »Giften« bei der Entstehung anderer Formen von Krebs ließen auf sich warten.
    In den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts rückte Krebs immer mehr ins Zentrum des medizinischen Interesses. Durch Hygiene und bessere Lebensbedingungen verloren in Europa und Nordamerika die Infektionskrankheiten ihren Schrecken, aber parallel dazu stiegen die Krebserkrankungen sprunghaft an. 1924 übertraf Krebs in den USA die Tuberkulose als Todesursache, 1934 war er nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache überhaupt, und mittlerweile ist der Krebs in den USA dabei, auf Platz eins vorzurücken.
    Dieser Befund ist eindeutig. Aber die Ursachen der »Krebsepidemie« lagen noch vollkommen im Dunkeln. Lässt man die damals kursierenden Hypothesen Revue passieren, springt sofort ins Auge, wie hilflos die Medizin im frühen 20. Jahrhunderts im Trüben stocherte. Manche Wissenschaftler vertraten den Standpunkt, es handele sich um eine Spätfolge der schweren Influenza-Pandemie kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Damals starben weltweit mehr Menschen an der Spanischen Grippe als während der gesamten Kriegszeit. Andere meinten, das rasch wachsende Netz asphaltierter Straßen sei schuld. Auch seriöse Mediziner schreckten nicht davor zurück, die Übervölkerung der Gewässer mit Forellen, die Übersäuerung des Blutes oder den zunehmenden Verzehr von Tomaten als Ursache für die Häufung der Krebserkrankungen verantwortlich zu machen. Keine auch nur annäherungsweise konsistente allgemeine Theorie des Krebses kristallisierte sich aus diesen Spekulationen heraus.
    Ganz offensichtlich änderten sich
zwischen 1850 und 1930 die Lebensbedingungen vor allem für die Bevölkerung der Groß- und Megastädte rapid. Binnen weniger Jahrzehnte katapultierte diese Periode viele Menschen vom Agrar- ins Industriezeitalter mit all seinen Vor- und Nachteilen. Die chemische Industrie wuchs rasant und ihr gelang es, viele neue Substanzen zu synthetisieren, die im vorindustriellen Zeitalter vollkommen unbekannt und 1930 überall in den Haushalten oder am Arbeitsplatz verbreitet waren. Aus heutiger Sicht kaum zu fassen, aber die These, Industriechemikalien könnten krebserregend sein, stieß bei den meisten Medizinern damals auf Unglauben. Inzwischen besteht im Gegenzug zu dieser Naivität eher die Neigung, alles, was in chemischen Anlagen an künstlichen Stoffen entwickelt wird, von vornherein unter Generalverdacht zu stellen.
    An einem Spätnachmittag 1930 tauchte, aufgeregt und ohne Voranmeldung, Dr. George Gehrman im Büro von Wilhelm Hueper auf. Hueper war der damalige Direktor der Abteilung für Umweltmedizin am nationalen Krebsinstitut der USA. George Gehrman war der ärztliche Direktor des großen amerikanischen Chemiekonzerns Du Pont und musste Abbitte leisten. Schon Anfang 1930 hatte Hueper, als er das große Chemiewerk in Deepwater, New Jersey, besichtigte, darauf
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