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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Herz an der Stelle, die Gott dafür vorgesehen hat, nämlich nach außen hin unsichtbar.«
    Er unterbrach sich.
    »Was habe ich auf dem Flughafen zu Schwartze gesagt? Kannst du dich noch erinnern? Wörtlich?«
    »Du hast gesagt: ›Ganz gleich, was Sie von mir wollen – die Antwort ist nein.‹«
    Stahr schwieg.
    »Er war fix und fertig«, sagte Wylie, »aber ich habe ihn so weit gebracht, dass er wieder lachen konnte. Wir sind mit Pat Bradys Tochter spazieren gefahren.«
    [31] Stahr klingelte nach der Stewardess.
    »Würde der Pilot… ich meine, hätte er etwas dagegen, wenn ich mich ein Weilchen zu ihm nach vorn setzen würde?«
    »Das ist gegen die Vorschriften, Mr. Smith.«
    »Sagen Sie ihm doch bitte, er möchte so freundlich sein, kurz hier vorbeizukommen, wenn er frei ist.«
    Stahr blieb den ganzen Nachmittag vorn, während wir die endlose Wüste hinter uns zurückließen und über die Hochebenen glitten, die vielfarbig getönt waren wie der weiße Sand, den wir als Kinder so gern bunt eingefärbt hatten. Am späten Nachmittag schoben sich die vertrauten Gipfel der Frozen Saw unter unsere Propeller, und nun war es nicht mehr weit.
    Wenn ich nicht vor mich hin döste, dachte ich darüber nach, wie ich Stahr heiraten und dazu bringen wollte, mich zu lieben. Unfassbar, dieser Dünkel! Was, bitte schön, hatte ich denn zu bieten? Aber damals dachte ich nicht so. Ich besaß den Stolz junger Frauen, der sich aus so erhabenen Sätzen wie »Ich bin genauso gut wie die!« nährt. Aus meiner Sicht war ich nicht weniger ansehnlich als all die berühmten Schönheiten, die sich ihm schon an den Hals geworfen hatten, und meine bescheidenen Ansätze von geistigem Interesse genügten natürlich vollauf, um mich zum strahlenden Mittelpunkt jedes beliebigen Salons zu machen.
    Inzwischen weiß ich, wie lächerlich das war. Zwar beschränkte sich Stahrs Ausbildung auf einen Abendkurs in Stenographie, aber er war vor langer Zeit durch weglose Wüsten der Wahrnehmung auf Gebiete vorgedrungen, zu denen nur wenige ihm folgen konnten. In meiner [32] bedenkenlosen Überheblichkeit waren meine grauen Augen bereit, es an Verschlagenheit mit seinen braunen aufzunehmen, war mein junges golf- und tennisgestähltes Herz bereit, mit seinem zu wetteifern, das nach Jahren der Überarbeitung wohl schon ein wenig langsamer schlug. Und ich plante und sann und tüftelte – jede Frau weiß, was ich meine –, aber wie man sehen wird, ist nie etwas daraus geworden. Ich bilde mir immer noch ein, dass ich es hätte schaffen können, wenn er ein armer Junge und mir im Alter näher gewesen wäre, aber in Wirklichkeit war es natürlich so, dass ich nichts zu bieten hatte, was er nicht schon besaß. So manche romantische Vorstellung hatte ich aus Filmen bezogen – 42nd Street zum Beispiel hatte mich stark beeinflusst. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass einige Filme, die von Stahr persönlich geprägt waren, mich zu dem gemacht hatten, was ich damals war.
    Die Sache stand also ziemlich hoffnungslos. Eine Hand wäscht die andere – zumindest auf der Gefühlsebene bringt einen dieser Grundsatz nicht weiter.
    Damals aber sah ich das anders. Womöglich konnte ja Vater helfen. Die Stewardess konnte helfen. Sie konnte ins Cockpit gehen und zu Stahr sagen: »Wenn ich je Liebe habe leuchten sehen, dann in den Augen dieses Mädchens.«
    Der Pilot konnte helfen: »Mann, sind Sie blind? Warum setzen Sie sich nicht wieder zu ihr?«
    Wylie White konnte helfen – statt auf dem Gang herumzustehen, mich unschlüssig anzuschauen und sich zu fragen, ob ich wach war oder schlief.
    »Setz dich«, sagte ich. »Was gibt’s Neues, wo sind wir?«
    »In der Luft.«
    [33] »Hab ich mir doch fast gedacht. Setz dich.« Ich versuchte, munteres Interesse zu bekunden. »Was schreibst du gerade?«
    »Du darfst mir kondolieren. Eine Pfadfindergeschichte. Der Boyscout. «
    »Ist das Stahrs Idee?«
    »Keine Ahnung. Ich soll mich mal damit beschäftigen, hat er gesagt. Kann sein, dass er – nach seinem genialen System – vor mir schon zehn Schreiber verbraucht hat oder zehn hinter mir herarbeiten lässt. Du bist also in ihn verliebt?«
    »Sicher nicht!«, widersprach ich empört. »Ich kenne ihn, solange ich denken kann.«
    »Zum Verzweifeln, was? Also ich wäre bereit, euch zusammenzubringen, wenn du deine Beziehungen spielen lässt. Ich will mein eigenes Team haben.«
    Ich machte die Augen wieder zu und dämmerte weg. Als ich aufwachte, war die Stewardess dabei, mich
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