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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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[7] 1
    Ich bin zwar nie auf der Leinwand in Erscheinung getreten, aber mit dem Film aufgewachsen. Als ich fünf wurde, war Rudolph Valentino auf meiner Geburtstagsparty, zumindest hat man mir das erzählt. Ich erwähne das nur, um deutlich zu machen, dass ich schon im zarten Kindesalter beobachten konnte, wie der Betrieb dort lief.
    Eigentlich wollte ich ja mal meine Memoiren schreiben – Die Tochter des Produzenten –, aber mit achtzehn kommt man dazu irgendwie nicht mehr, und das ist auch gut so, das Ergebnis wäre so unverdaulich wie eine alte Kolumne von Lolly Parsons. Mein Vater war in der Filmbranche, so wie andere Väter etwa in der Baumwoll- oder Stahlbranche sind, und ich ertrug es mit Gelassenheit. Im schlimmsten Fall akzeptierte ich Hollywood so ergeben wie ein Gespenst, dem man ein bestimmtes Spukhaus zugewiesen hat. Natürlich wusste ich, welche Einstellung zu Hollywood von einem erwartet wurde, aber ich habe es immer standhaft abgelehnt, in das allgemeine Gezeter einzustimmen.
    Das ist leicht gesagt, aber sehr viel schwerer zu vermitteln. Unter den Englischdozenten in Bennington gab es einige, die so taten, als ließe Hollywood samt seinen Machwerken sie kalt, in Wirklichkeit aber war es ihnen verhasst – [8] zutiefst verhasst, ja, sie empfanden es als eine existentielle Bedrohung. Vorher, in der Klosterschule, bat mich eine liebe kleine Nonne, ihr das Script für ein Drehbuch zu besorgen; sie wolle ihren Schülerinnen »beibringen, wie man für den Film schreibt«, so wie sie ihnen das Essay- und das Shortstory-Schreiben beigebracht hatte. Ich verschaffte ihr das Script und vermute, dass sie darüber in langes Grübeln verfallen ist, aber im Unterricht fiel kein Wort darüber, und sie gab es mir mit einem Ausdruck gekränkter Überraschung und ohne jeden Kommentar zurück. Ich habe fast den Eindruck, dass es dieser Geschichte hier ähnlich ergehen könnte.
    Man kann Hollywood als gegeben hinnehmen, wie ich es gemacht habe, oder es mit jener Verachtung abtun, die wir dem vorbehalten, was wir nicht verstehen. Verstehen lässt es sich im Übrigen durchaus, allerdings nur schemenhaft und in kurzen, flüchtigen Momenten. Maximal ein halbes Dutzend Männer hat jemals den Überblick über die ganze Welt des Films behalten können. Und eine Frau kann die Sachlage vielleicht noch am ehesten erfassen, wenn sie versucht, einen dieser Männer zu verstehen.
    Die Welt vom Flugzeug aus war mir vertraut. Vater hatte immer darauf bestanden, dass wir ins Internat und ins College flogen. Nach dem Tod meiner Schwester in meinem ersten Studienjahr reiste ich allein hin und her und musste dabei ständig an sie denken, so dass mich ein Flug immer in eine leicht feierliche und gedämpfte Stimmung versetzte. Manchmal waren Filmleute an Bord, die ich kannte, und hin und wieder – während der Depression allerdings eher [9] selten – ein attraktiver Collegeboy. Im Flugzeug ließen mich die Gedanken an Eleanor und das Gefühl des scharfen Kontrasts zwischen der einen und der anderen Küste nicht richtig schlafen oder zumindest erst dann, wenn die einsamen kleinen Flughäfen von Tennessee hinter uns lagen.
    Diesmal war der Flug so unruhig, dass sich die Passagiere sehr schnell aufteilten in solche, die sich sofort hinlegten, und andere, denen das erst gar nicht in den Sinn kam. Von dieser Fraktion saßen zwei in meiner Reihe, aber auf der anderen Gangseite, und nach dem, was ich in Bruchstücken von ihrem Gespräch mitbekam, war ich mir ziemlich sicher, dass sie aus Hollywood waren – dem einen sah man es schon an, es war ein Jude in mittleren Jahren, der abwechselnd in nervöser Erregung redete wie ein Wasserfall oder wie zum Sprung bereit dasaß und sich in lastendes Schweigen hüllte; der andere, ein blasser und unscheinbarer, untersetzter Mann um die Dreißig, kam mir bekannt vor. Möglicherweise hatte er uns mal zu Hause besucht, vielleicht aber war das schon lange her, und ich war damals noch klein gewesen, ich nahm es ihm deshalb nicht übel, dass er mich nicht erkannte.
    Die Stewardess – sie war groß, hübsch und auffallend dunkel, ein offenbar weitverbreiteter Typ in diesem Beruf – fragte, ob sie mir meine Schlafkabine richten solle.
    »Und möchten Sie ein Aspirin?« Sie schob sich, in dem Sommersturm gefährlich taumelnd, seitlich auf meinen Sitz. »Oder ein Nembutal?«
    »Nein.«
    »Ich hatte bis jetzt so viel mit den anderen zu tun, dass ich noch nicht dazu gekommen bin, Sie zu fragen.« Sie [10] setzte
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