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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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erwartungsvolle Bewegung geraten, so dass Wylie mich deutlich sehen konnte: schlanke Figur, gut geschnittenes Gesicht, stilsicheres Auftreten – und immerhin leichte Ansätze von Verstand. Wie sah ich wohl aus an jenem frühen Morgen vor fünf Jahren? Ein bisschen blass und verknittert wahrscheinlich, aber ich war noch jung genug, um mir einzubilden, dass Abenteuer fast [22] ausnahmslos etwas Positives sind, und hätte ich baden und mich umziehen können, hätte ich noch stundenlang durchgehalten.
    Wylie musterte mich mit schmeichelhaftem Wohlgefallen – und dann waren wir plötzlich nicht mehr allein. Schuldbewusst kam Mr. Schwartze angetappt und störte die hübsche Szene. »Ich hab mich an einem großen Metallknauf gestoßen«, sagte er und griff sich an ein Auge.
    Wylie sprang auf. »Wo bleiben Sie denn, Mr. Schwartze? Die Führung fängt gerade an. Hier sehen Sie die Heimstatt von Old Hickory, dem zehnten Präsidenten Amerikas, Sieger von New Orleans, Gegner der National Bank und Erfinder der Filzokratie.«
    Schwartze sah zu mir hin wie zur Geschworenenbank.
    »Typisch Autor«, sagte er. »Weiß alles und nichts.«
    »Na hören Sie mal«, empörte sich Wylie.
    Ich hatte bis dahin nicht geahnt, dass er Drehbuchschreiber war. Und auch wenn ich die durchaus mag – wenn man sie was fragt, bekommt man meist eine Antwort –, fiel er damit in meinen Augen eine Stufe tiefer. Drehbuchschreiber sind keine richtigen Menschen oder aber – wenn sie gut sind – viele verschiedene Personen, die sich krampfhaft bemühen, sich als eine einzige darzustellen. Darin ähneln sie Schauspielern, die so rührend bestrebt sind, nicht in den Spiegel zu sehen, dass sie sich furchtbar verbiegen – und dann in den spiegelnden Kronleuchtern plötzlich ihr Gesicht entdecken.
    »Sind Drehbuchschreiber nicht wirklich so, Celia?«, fragte Schwartze. »Mit Worten kann ich es nicht ausdrücken, ich weiß nur, dass es stimmt.«
    [23] Wylie wurde allmählich ärgerlich. »Die Sprüche kenne ich. Also in der praktischen Lebenserfahrung bin ich Ihnen allemal überlegen, Mannie. Ich habe in einem Büro gesessen und mir angehört, wie ein komischer Typ stundenlang auf und ab tigerte und einen Stuss erzählte, der ihn außer in Kalifornien überall in die Klapsmühle gebracht hätte – und musste mir zum Schluss noch sagen lassen, er sei der Mann der Praxis und ich der Träumer, und ich möge mich jetzt gefälligst hinsetzen und aus dem, was er gesagt hat, etwas Vernünftiges machen.«
    Mr. Schwartzes Gesichtszüge verrutschten. Ein Auge sah durch die hohen Ulmen nach oben; er hob die Hand und biss lustlos an der Nagelhaut seines Zeigefingers herum. Ein Vogel flog über den Kamin, und Schwartzes Blick folgte ihm. Der Vogel setzte sich wie ein Rabe auf den Kaminaufsatz, und Mr. Schwartze sagte, ohne ihn aus den Augen zu lassen: »Ins Haus können wir sowieso nicht. Und es wird Zeit, dass ihr beide wieder zum Flugzeug kommt.«
    Es war noch immer nicht ganz hell. Die Hermitage sah jetzt aus wie ein hübscher weißer Karton, aber sie wirkte ein bisschen einsam und noch nach hundert Jahren wie erst gestern geräumt. Wir gingen zurück zum Wagen. Erst als wir eingestiegen waren und Mr. Schwartze überraschend die Taxitür hinter uns zumachte, begriffen wir, dass er nicht die Absicht hatte mitzufahren.
    »Ich fliege nicht weiter, das habe ich nach dem Aufwachen beschlossen. Ich bleibe hier, und der Fahrer kann mich später abholen.«
    »Sie wollen zurück in den Osten?«, fragte Wylie erstaunt. »Nur weil…«
    [24] »Mein Entschluss steht fest.« Schwartze lächelte matt. »Früher war ich ein Ausbund an Entscheidungsfreude, Sie hätten gestaunt.« Er kramte in der Tasche herum, während der Taxifahrer den Motor warmlaufen ließ. »Würden Sie Mr. Smith diesen Brief geben?«
    »Ist es recht, wenn ich in zwei Stunden wiederkomme?«, fragte der Fahrer.
    »Ja, sehr recht. Ich schau mich in der Zwischenzeit hier ein bisschen um.«
    Auf der Rückfahrt zum Flughafen musste ich die ganze Zeit an ihn denken und versuchte, ihn in diese frühe Stunde und in diese Landschaft einzuordnen. Er hatte einen langen Weg zurückgelegt aus irgendeinem Ghetto bis zu jenem schlichten Schrein. Mannie Schwartze und Andrew Jackson – es war fast unmöglich, beide Namen in einem Satz zu nennen. Ob er wusste, wer Andrew Jackson war, wenn er dort herumschlenderte, darf bezweifelt werden, aber vielleicht sagte er sich, dass dieser Andrew Jackson, wenn man sein Haus erhalten
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