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Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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herumdokterte, sondern einfach nur Fehler korrigierte. Sowohl bei der Orthographie als auch der Interpunktion verließ sich Fitzgerald weitgehend darauf, dass das Lektorat seines Verlegers die gröbsten Schnitzer beheben werde. Wo es ihm darauf ankam, durch ungewöhnliche Zeichensetzung seine Prosa zu rhythmisieren, machte er diese Korrekturen im nächsten Autorenredigat wieder rückgängig.
    Die Neuübersetzung von Renate Orth-Guttmann folgt im Wesentlichen der Kritischen Ausgabe von Matthew J. Bruccoli. Im Wesentlichen heißt: im Wortlaut des Textes, ohne den philologischen Apparat. Das beginnt beim Titel Die Liebe des letzten Tycoon. Ein Western und endet damit, dass der Roman mit dem Satz schließt, an dem Fitzgeralds [231] durchgeschriebenes Manuskript abbricht. Um der Lesbarkeit willen wird allerdings die Zusammenfassung der Episoden zu Kapiteln und deren Numerierung aus der Wilson-Ausgabe beibehalten und der Text als unvollendeter Roman in siebzehn Kapiteln präsentiert. Bruccoli behauptet, Fitzgerald habe kein Romanfragment, sondern nur Material für einen Roman hinterlassen. Die hier vorliegende Ausgabe widerspricht dem, sonst gäbe es sie nicht.
    Wie hätte die Geschichte um Monroe Stahr weitergehen können? In einer ersten Synopse, die Fitzgerald im September 1939 an Kenneth Littauer schreibt, den Chefredakteur des Magazins Collier’s, um von ihm einen Vorschuss auf die Rechte zum Vorabdruck des ungeschriebenen Romans zu erbitten (was Littauer ablehnt), legt er den weiteren Verlauf etwa so dar: Es gibt eine Intrige von Pat Brady, Cecelias Vater, der Stahr aus dem Studio drängen will, wahrscheinlich durch einen Auftragsmord. Auch Erpressung könnte ins Spiel kommen, denn Stahr und Kathleen sollen sich noch einige Male treffen, was ihrem Ehemann nicht gefallen haben dürfte. In späteren Aufzeichnungen ist von einer Auseinandersetzung mit der Autorengewerkschaft die Rede, die den Streit zwischen Brady und Stahr eskalieren lässt. Anderswo spricht Fitzgerald davon, dass Stahr, der von den Mordplänen erfahren hat, nach einem gesundheitlichen Zusammenbruch seinerseits einen Killer auf Brady ansetzt. Er soll seinen Auftrag ausführen, während Stahr in New York auf der anderen Seite des Kontinents vor einer Aktionärsversammlung spricht. Im Flugzeug aber nagen Gewissensbisse an ihm, und er will bei der nächsten Zwischenlandung den Auftrag stoppen. Doch das Flugzeug kommt [232] nirgendwo an – mit oder ohne Mordkomplott bleibt Fitzgerald von seiner ersten Inhaltsangabe bis zur letzten Kapitelaufstellung bei diesem Plan. Die Maschine stürzt ab, und kein Passagier überlebt. Der Mord an Brady wird ausgeführt. Möglicherweise hätte darauf eine Episode folgen sollen, die sich auf eine Begebenheit bezieht, von der Fitzgerald gelesen und die ihn sehr bewegt hat: Drei Kinder finden das Wrack und plündern es aus. Ein Junge nimmt, was Stahr bei sich hatte; ein anderer das Gepäck eines erfolglosen Produzenten; und ein Mädchen stiehlt einer toten Schauspielerin die Tasche. Den Jungen, der Stahrs Dinge an sich genommen hat, quält die Tat, und er sorgt dafür, dass alle drei aus der Sache wieder herauskommen, indem sie sich freiwillig dem Richter stellen. Den Abschluss des Romans sollte eine Hollywood-Beerdigung bilden, die Beisetzung von Monroe Stahr. Fitzgerald stellte sich das als eine widerliche Angelegenheit devoter Heuchelei vor, zu der Johnny Swanson, der arbeitslose Cowboy-Darsteller aus dem zweiten Kapitel, durch eine Verwechslung als Sargträger eingeladen wird. Seine Karriere ist damit gerettet, die Rollenangebote fliegen ihm zu. Eine ähnliche Szene hat sich bei der Beisetzung von Irving Thalberg tatsächlich ereignet. Es hätte ein bitterer Abgesang werden sollen, auf Hollywood und seine Visionäre. Cecelia hat in der Zwischenzeit ein Verhältnis mit Wylie White angefangen, den sie immer noch nicht liebt. Nach dem Mord an ihrem Vater und dem Tod Stahrs bricht sie zusammen. Am Ende sitzt sie mit Tuberkulose in einem Sanatorium, wo sie die Geschichte aufschreibt.
    Möglicherweise hätte Fitzgerald dem Roman auch eine komplette Rahmenhandlung gegeben. Darin wäre am [233] Schluss Cecelia im Sanatorium gestorben, nachdem sie einem anderen Patienten die ganze Geschichte erzählt hat. Dieser Patient wiederum, neugierig geworden, hätte all die Ereignisse recherchiert, von denen Cecelia nichts wissen konnte, und er wäre es, der in den Passagen, in denen Cecelia nicht anwesend ist, als Erzähler aufträte.
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