Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
sich neben mich und schnallte uns beide an. »Kaugummi?«
    Es war ein willkommener Anlass, den Kaugummi loszuwerden, mit dem ich mich seit Stunden herumärgerte. Ich wickelte ihn in die herausgerissene Ecke einer Zeitschriftenseite und legte ihn in den automatischen Aschenbecher.
    »Nette Leute erkenne ich immer daran«, sagte die Stewardess anerkennend, »dass sie ihren Kaugummi in Papier wickeln, ehe sie ihn da hineintun.«
    Wir saßen eine Weile im Halbdunkel der schwankenden Kabine beieinander. Ich kam mir ein bisschen vor wie in einem vornehmen Restaurant in den Intervallen zwischen den Gängen. Wie dort saßen wir da und warteten, ohne genau zu wissen, was auf uns zukommen würde. Ich glaube, dass selbst die Stewardess sich ständig in Erinnerung rufen musste, warum sie hier war.
    Wir sprachen über eine junge Schauspielerin, die ich kannte und mit der sie vor zwei Jahren in den Westen geflogen war. Es war zur schlimmsten Zeit der Wirtschaftskrise, und die junge Schauspielerin hatte so starr aus dem Fenster gesehen, dass die Stewardess fürchtete, sie könne womöglich springen wollen. Dann aber stellte sich heraus, dass es nicht die Armut war, vor der die junge Frau Angst hatte, sondern allein die Revolution.
    »Für Mutter und mich ist schon alles klar«, vertraute sie der Stewardess an. »Wir werden uns in den Yellowstone Park zurückziehen und ein einfaches Leben führen, bis sich die Wogen geglättet haben. Dann kommen wir zurück. Künstler bringen sie nämlich nicht um.«
    [11] Ein verlockendes Vorhaben – ich sah das bezaubernde Bild förmlich vor mir: Gütige Torybären bringen der Schauspielerin und ihrer Mutter Honig, sanfte Rehkitze holen eine Extraportion Milch von ihren Müttern und halten sich in der Nähe bereit, ihnen des Nachts als Kissen zu dienen. Ich revanchierte mich mit der Geschichte von dem Anwalt und dem Regisseur, die in jenen bewegten Tagen eines Abends Vater ihre Pläne erzählt hatten. Für den Fall der Einnahme von Washington durch die Bonus-Armee hatte der Anwalt ein Boot am Ufer des Sacramento River versteckt, mit dem er für ein paar Monate stromaufwärts rudern und dann zurückkommen wollte, »denn nach einer Revolution brauchen sie immer Anwälte, um rechtlich alles ins Lot zu bringen«.
    Der Regisseur neigte eher zum Defätismus. Er hielt einen alten Anzug, Hemd und Schuhe bereit – ob es seine eigenen Sachen waren oder ob er sie aus der Requisite hatte, kam nicht heraus – und gedachte »sich in der Menge zu verlieren«. Ich höre noch Vater sagen: »Aber man wird sich Ihre Hände ansehen und auf den ersten Blick erkennen, dass die seit Jahren nicht mehr kräftig zugelangt haben. Und man wird Sie nach Ihrem Gewerkschaftsausweis fragen.« Und ich sehe das lange Gesicht des Regisseurs vor mir und erinnere mich, wie niedergeschlagen er seinen Nachtisch in Angriff nahm und wie komisch und kläglich ich die beiden fand.
    »Ist Ihr Vater Schauspieler, Miss Brady?«, fragte die Stewardess. »Den Namen hab ich auf jeden Fall schon mal gehört.«
    Als der Name Brady fiel, sahen die beiden Männer auf [12] der anderen Seite des Mittelgangs zu mir hin – mit diesem typischen Hollywoodblick, der immer so wirkt, als wenn der Betrachter über die eigene Schulter schaut –, dann löste der blasse untersetzte Junge seinen Sicherheitsgurt und stellte sich neben uns.
    »Sind Sie Cecelia Brady?«, fragte er so vorwurfsvoll, als hätte ich ihm etwas vorenthalten. »Sie sind mir gleich so bekannt vorgekommen. Ich bin Wylie White.«
    Das hätte er sich schenken können, denn im gleichen Augenblick sagte eine neue Stimme: »Kannst du nicht aufpassen, Wylie?«, und ein Mann schob sich im Gang an ihm vorbei und ging in Richtung Cockpit. Wylie fuhr zusammen und rief ihm, ein paar Sekunden zu spät schaltend, weithin hörbar nach: »Anweisungen nehme ich nur vom Piloten entgegen.«
    Ich erkannte eine dieser freundlichen Frotzeleien, wie sie zwischen den Hollywoodgewaltigen und ihren Satelliten üblich sind.
    »Nicht so laut, bitte«, wies ihn die Stewardess zurecht, »einige Passagiere schlafen schon.«
    Jetzt sah ich, dass der andere Mann, der Jude mittleren Alters, auch aufgestanden war und mit gierigem Blick auf den Mann starrte, der gerade vorbeigekommen war. Oder vielmehr auf den Rücken dieses Mannes, der die Hand wie zu einem Gruß hob, ehe er aus meinem Blickfeld verschwand.
    »Ist das der Kopilot?«, fragte ich die Stewardess.
    Sie löste unseren Gurt, offenbar gewillt, mich schnöde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher