Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe des letzten Tycoon

Die Liebe des letzten Tycoon

Titel: Die Liebe des letzten Tycoon
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
Wylie White zu überantworten.
    »Nein, das ist Mr. Smith. Er hat die Privatkabine, die [13] sogenannte ›Hochzeitssuite‹, aber er hat sie für sich allein. Der Kopilot trägt immer Uniform.« Sie stand auf. »Ich will mal eben fragen, ob wir in Nashville am Boden bleiben müssen.«
    »Warum?«, fragte Wylie White entsetzt.
    »Im Mississippi Valley zieht eine Gewitterfront heran.«
    »Soll das heißen, dass wir die ganze Nacht hier verbringen müssen?«
    »Wenn das so weitergeht…«
    Ein unerwartetes Luftloch machte deutlich, dass damit zu rechnen war. Es sorgte dafür, dass Wylie White in den Sitz mir gegenüber plumpste, die Stewardess überstürzt in Richtung Cockpit entschwand und der Jude unversehens wieder auf seinem Platz saß. Nachdem wir als routinierte Flugreisende unserem Unmut unbeeindruckt und natürlich in gemessenen Worten Ausdruck verliehen hatten, kehrte wieder Ruhe ein. Man machte sich bekannt.
    »Miss Brady – Mr. Schwartze«, sagte Wylie White. »Er ist auch ein großer Bewunderer Ihres Vaters.«
    Mr. Schwartze nickte so heftig, dass ich ihn fast sagen hörte: »Ja, wahrhaftig, so verhält es sich, Gott der Gerechte ist mein Zeuge.«
    Früher hätte er das vielleicht sogar laut gesagt, aber der Mann hatte unverkennbar einiges hinter sich. Es war, als träfe man einen Freund nach einem Boxkampf oder einem Zusammenstoß, bei dem er den Kürzeren gezogen hat. Man sieht ihn mit großen Augen an und fragt: »Was ist denn mit dir los?«, und durch abgebrochene Zähne und verschwollene Lippen hindurch kommt eine unverständliche Antwort. Er kann sich nicht einmal mehr mitteilen.
    [14] Mr. Schwartze war körperlich unversehrt, die markante Nase und die Schatten um die Augen waren ihm ebenso angeboren wie meinem Vater die irische Röte um das knollige Riechorgan.
    »Nashville!«, sagte Wylie White. »Mit anderen Worten: Wir müssen in ein Hotel. Dann kommen wir bestenfalls morgen Abend an die Küste. Mein Gott! Ich bin in Nashville geboren.«
    »Dann müssten Sie sich eigentlich freuen, die Stadt wiederzusehen.«
    »Keine Spur. Ich habe seit fünfzehn Jahren alles getan, um mich von ihr fernzuhalten, und kann nur hoffen, dass es dabei bleibt.«
    Diese Hoffnung musste er begraben, denn das Flugzeug ging tiefer, immer tiefer und tiefer, wie Alice im Kaninchenbau. Ich legte die hohle Hand vors Fenster und sah weit weg zur Linken verschwommen die Stadt liegen. Die grüne Schrift »Bitte anschnallen und das Rauchen einstellen« leuchtete schon, seit wir in das Gewitter hineingeflogen waren.
    »Haben Sie gehört, was sie gesagt hat?«, fragte Mr. Schwartze aus einer seiner verbissenen Schweigephasen heraus.
    »Gehört? Was denn?«, gab Wylie zurück.
    »Wie er sich genannt hat. Mr. Smith !«
    »Na und?«, sagte Wylie.
    »Nichts dagegen«, versetzte Schwartze eilig. »Klang nur so komisch. Smith.« Ich habe nie ein unfroheres Lachen gehört. »Smith!«
    Seit den Tagen der Poststationen hat es wohl nichts [15] gegeben, was mit einem Flugplatz vergleichbar wäre, nichts, was so einsam, stumm und düster ist. Die alten roten Backsteinhallen waren direkt in die Städte hineingebaut und prägten sie – an diesen entlegenen Orten ging endgültig von Bord nur, wer dort wohnte. Aber Flughäfen führen weit zurück in die Geschichte, wie die Oasen, wie die Rastplätze auf den berühmten Handelsstraßen. Der Anblick von einzeln oder zu zweit gemächlich dem mitternächtlichen Flughafengebäude zustrebenden Reisenden lockt jede Nacht bis früh um zwei Gruppen von Schaulustigen an. Die Jungen besehen sich die Flugzeuge, die Älteren beobachten in gespanntem Staunen die Passagiere. Auf den großen Transkontinentalmaschinen waren wir die Reichen von der Küste, die im Kernland Amerikas lässig von ihrer Wolke herabstiegen. Es war jederzeit denkbar, wenn auch in der Realität höchst selten, dass sich unter uns das große Abenteuer in Gestalt eines Filmstars befand, und ich bedauerte immer, dass wir nicht interessanter aussahen – ein Gedanke, der mich auch oft bei Filmpremieren beschäftigt, wo die Fans einen abschätzig und vorwurfsvoll anstarren, weil man kein Star ist.
    Sobald wir festen Boden unter den Füßen hatten, waren Wylie und ich plötzlich Freunde, denn er streckte einen Arm aus, um mich beim Aussteigen zu stützen. Offenbar war er fest entschlossen, sich an mich heranzumachen – und ich hatte nichts dagegen. Bis wir zum Flughafengebäude kamen, war klar, dass wir, wenn wir schon hier stranden mussten,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher