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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal
Autoren: Christa S. Lotz
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sich nicht einmal so sicher, ob es nicht den Tatsachen entsprach. Sie irrten weiter durch Wälder und über Felsen. Buchen und Birken trugen gelbes und rotes Laub, das in der Sonne glänzte. Darüber spannte sich ein seidenweicher blauer Himmel. Wie schön waren die Waldspaziergänge mit der Familie gewesen, mit den Farnen und Glockenblumen am Wegrand, wenn sie über kristallklare Bäche sprangen, in denen unbeweglich die Forellen standen! Aber jetzt schien das Leuchten der Blätter Elisabeth zu verhöhnen, denn in dieser Welt gab es keine Schönheit mehr. Ihr traten die Tränen in die Augen; sie wischte sie verstohlen weg. Abends, nach dem Aufstieg vom Enztal auf die Höhen, hörte Elisabeth in der Ferne ein Jagdhorn. Ihr Herz machte einen Satz und begann zu rasen. Sie nahm Agnes an der Hand und rannte los, alle rannten los. Wiederhatten sie bald die anderen aus den Augen verloren. Elisabeth glaubte, Hundegebell hinter sich zu hören. Zunächst blieb alles ruhig. Dann kam das Bellen näher. Sollten sie sich in einer Höhle verstecken, auf einen Baum klettern, von einem Felsen springen, nur, um ihnen nicht in die Hände zu fallen? Elisabeth dachte an den kleinen Farn und an den warmen Händedruck Jakobs. Sie raffte sich auf, befahl Agnes, die wie zur Salzsäure erstarrt war, mit leiser Stimme, weiterzugehen. Elisabeth kletterte auf einen Felsen, der rot im Mondlicht vor ihnen glänzte. Er war gezackt, sah aus wie ein riesiger Altar. Das Gebell kam immer näher, schon meinte Elisabeth zu sehen, wie die Schatten der Tiere durch den Wald auf sie zusprangen. Wieder ertönte ein Hornsignal. Mit letzter Kraft stemmte sich Elisabeth zum Gipfel des Felsens hinauf, zog Agnes an der Hand nach. Hände, Knie und Beine waren völlig verschrammt, Kleid und Mantel zerrissen. Aber das war jetzt gleichgültig. Oben war eine Mulde zwischen den Felszacken. Beide duckten sich nieder. Elisabeth hörte, wie die Hunde den Fuß des Felsens erreichten und bellend daran hinaufsprangen. Dann vernahm sie Stimmen, laute, barsche Stimmen, die in einer fremden Sprache redeten. Elisabeth drückte sich noch fester in die Mulde hinein und presste, wie schon einmal, Agnes an sich. Sie fror entsetzlich. Nur still liegen und keinen Laut von sich geben. Ihr fiel ein, dass sie ihr Felleisen mit der Nahrung und zwei Decken am Fuß des Felsens verloren hatte. Sei’s drum, wenn die Söldner sich damit zufriedengaben, wären sie wenigstens gerettet. Ein kratzendes Geräusch warnte sie. Offensichtlich begann einer der Männer, am Felsen heraufzusteigen. Der kalte Schweiß brach Elisabeth aus allen Poren. Eine herrische Stimme rief den Söldner zurück. Elisabeth hörte Getrappel, leiseres Hundebellen, das sich entfernende Geräusch von raschelndem Laub, dann war es still. Sie atmete tief aus.
    »Lass uns weitergehen, Agnes, wir müssen einen Heustadel finden, um darin zu übernachten, oder ein Bauernhaus.«
    »Wir haben nichts mehr zu essen und zu trinken«, klagte Agnes, als sie von dem Fels mehr herunterrutschten als -stiegen.
    »So schnell verhungert man nicht«, entgegnete Elisabeth. »Und unseren Durst können wir an den Bächen und Quellen stillen.«
    Am Abend erreichten sie ein Gehöft, in dem eine barmherzige Bauernfamilie wohnte. Sie gaben den Mädchen Milch und Brot und rieten ihnen, auf keinen Fall umzukehren, um nicht den Verfolgern in die Hände zu fallen. Am nächsten Morgen erklärten die Bauern ihnen den Weg nach Baden. Einen kleinen Laib Käse und ein halbes Brot gaben sie ihnen mit auf den Weg. Nach einem weiteren Tag in der Wildnis gelangten die Mädchen zum Kloster Lichtenthal, das in eine Schleife der Oos gebettet lag. Von hier aus war es nicht mehr weit in die Bäderstadt mit dem Neuen Schloss, das über den Dächern der Häuser thronte. Über eine Rundbogenbrücke und ein Tor gelangten sie in das Innere der Stadt. Hell gestrichene Häuser mit verspielten Giebeln empfingen sie, schlicht gebaute Badehäuser, in denen vornehm gekleidete Menschen aus und ein gingen. Doch waren die Anzeichen von Plünderung und Zerstörung nicht zu übersehen. Söldner aus aller Herren Länder spazierten umher, Bäcker und Metzger priesen ihre Waren an, Zimmerer sägten Holz, aus den Schmieden drang lautes Hämmern, und Schuster nagelten Lederstiefel zusammen. Da sie von niemandem beachtet wurden, ließen die Angst und die Anspannung bei Elisabeth nach. Und auch Agnes schritt nun leichtfüßiger dahin. Elisabeth bemerkte, dass ihre Schwester die Frauen
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