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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal
Autoren: Christa S. Lotz
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abhalten. Vielleicht wollte sie euch beistehen in eurer Not.«
    Elisabeth weinte, sie folgte blind dem Trupp durch die Nacht. Eine Eule schrie. Als Elisabeth den Kopf wandte, um ihre Schwester anzusehen, sah sie, dass deren Gesicht wie versteinert war. Sie bewegte sich wie eine Marionette. Schließlich erreichten sie den schützenden Wald. Elisabeth meinte, vom Dorf her Stimmen und das Trappeln von Hufen zu hören. Sie liefen weiter, stolperten in der Dunkelheit der Tannen. Schließlich lagerten sie in einer Mulde, die mit Blättern gefüllt war. An Schlaf war nicht zu denken. Während der Nacht stießen noch etliche Flüchtlinge, meist Frauen und Kinder, zu ihnen. In der Ferne glaubte Elisabeth einen Feuerschein zu erkennen. Ob die Söldner aus Wut das Dorf angezündet hatten, weil es nichts mehr zu holen gab? Decken wurden verteilt, es wurde leise gebetet. Elisabeth lag auf dem Rücken, dicht bei ihrer Schwester Agnes. Sie schaute zu den Baumwipfeln empor, über denen eisig die Sterne glitzerten. Elisabeth fühlte sich wie betäubt. Bilder der vergangenen Stunden und Tage gingen ihr durch den Kopf. Wo waren ihre Eltern, wo war ihr Bruder Lukas? Warum hatte der Musketier sie gerettet, sie aus der Stadt hinausgeführt? Beim Gedanken an ihn wurde es Elisabeth warm. Sie hörte die gleichmäßigen Atemzüge von Agnes, die fast lautlosenGebete der anderen. Es raschelte im Unterholz, kleine Tiere der Nacht waren unterwegs. Fledermäuse huschten über sie hinweg. Gegen Morgen fiel Elisabeth in einen unruhigen Schlaf.
    Sie wurde vom Rätschen eines Hähers geweckt. Der Geruch nach welkem Laub stieg ihr in die Nase. Golden fiel die Sonne durch die Zweige der Tannen, Mücken schwirrten in der Luft. Die Menschen begannen sich zu erheben. Brot, Speck und Wurst wurden verteilt. Den ganzen Tag über wagten sie sich kaum zu rühren. Glücklicherweise war die Witterung mild, die Sonne schien und erwärmte den Waldboden, die Steine und das Laub. Gegen Abend brachen sie wieder auf, tasteten sich durch den dämmrigen Wald, stolperten, fielen und rafften sich wieder auf. Nachts sahen sie von einer Anhöhe aus einen großen Feuerschein. War das die Stadt Calw, die brannte? Ob ihr Elternhaus ebenfalls in Flammen stand? Elisabeth faltete die Hände und betete inbrünstig für ihre Eltern und ihren Bruder. Sie fühlte sich leer und ausgehöhlt. Die kleine Schar war inzwischen auf annähernd zweihundert Personen angewachsen. Weiter, immer weiter, wenn die Söldner sie fanden, war es aus mit ihnen! Tagsüber irrten sie durch Wälder und Schluchten, kletterten über steile Felssteige und hielten sich abseits der Wege, auf denen die Söldner patrouillierten. Elisabeth spürte ein Stechen in der Seite, die Füße taten ihr weh und waren wund gescheuert in ihren leichten Stiefeln. Agnes wimmerte leise vor sich hin, ebenso wie die Kinder. Manchmal verloren Elisabeth und Agnes die anderen aus den Augen. Müde und verloren rutschten sie Abhänge hinab, wateten durch Bäche und mussten wieder einen steilen Felssturz hinauf. Als unvermittelt Menschen vor ihnen auftauchten, schreckten sie zurück und glaubten sich verloren. Aber es waren ihre eigenen Leute, Flüchtlinge wie sie. In Aichelberg fanden sie Unterschlupf in der Scheune eines Bauern. Zwei Männer hatten sie als Nachhut zurückgelassen, um sie zu warnen, falls die Söldner auftauchensollten. Mitten in der Nacht wurde Elisabeth von einem Flüstern geweckt.
    »Euer Versteck wurde verraten«, hörte sie jemanden sagen. Es war die Stimme des Bauern. »Ihr müsst weiter, hier könnt ihr nicht bleiben!«
    Elisabeth fuhr hoch, griff nach der Hand ihrer Schwester. Schlaftrunken murmelte Agnes: »Was ist denn jetzt schon wieder?«, bequemte sich dann aber doch, aufzustehen. Elisabeth packte ihr ledernes Felleisen und schnallte es sich auf den Rücken.
    »Komm«, flüsterte sie Agnes zu. Die anderen hatten sich mit ihnen erhoben, packten hastig ihre Sachen und drängten zum Scheunentor. Wieder liefen sie den ganzen Tag, abseits der Wege, durch das Gebirge. Ihren Durst stillten sie an klaren Bächen. Brot, Wurst und Wein gingen allmählich aus. Sie schliefen in Heuschobern und Viehställen.
    Am Tag darauf meldete die Nachhut, es seien Jäger mit Hunden auf sie angesetzt worden. Konnten die denn niemals Ruhe geben? Warum verfolgten sie Frauen und Kinder durch den halben Schwarzwald? Glaubten sie, die Calwer Bürger trügen ihre wertvollsten Gegenstände noch bei sich? Was Letzteres betraf, war Elisabeth
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