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Die Köchin und der Kardinal

Die Köchin und der Kardinal

Titel: Die Köchin und der Kardinal
Autoren: Christa S. Lotz
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mit versagender Stimme.
    »Mir wäre es recht, wenn wir aus diesem gottverdammten Loch herauskommen«, ließ sich Agnes mit weinerlicher Stimme vernehmen. »Habe ich nicht gesagt, ich will nach Baden?«
    Elisabeth starrte sie entsetzt an. Hatte sie denn kein Herz im Leib?
    »Die Söldner haben Eure Eltern und Euren Bruder mitgenommen«, sagte der Musketier. »Aber ich habe ihnen bei Strafe verboten, ihnen etwas anzutun.«
    »Und unser Herr Vater?«, wollte Elisabeth wissen.
    »Den habe ich nicht gesehen. Jetzt schnell, bevor die Männer es sich noch anders überlegen.«
    »Was sind das für Männer, die sich so grausam verhalten?«, fragte Elisabeth hastig.
    »Es sind Italiener und Kroaten, die angeworben wurden«, war die Antwort. »Jan van Werth, unser Oberst, ist schon weitergezogen nach Neuenbürg.« Er griff in den Schrank und holte zwei abgegriffene Pelzmäntel heraus.
    »Hier. Legt sie Euch um, die Nächte sind schon sehr kalt«, sagte er.
    Elisabeth und Agnes folgten dem Söldner, der sie die Stiege hinunter und aus dem Haus führte. Auf dem Marktplatz lagen viele Leichen, einige Stellen waren rot vom Blut.
    »Habt Ihr Verwandte, zu denen Ihr gehen könnt?«, fragte der Söldner. In den Gassen fing nun wieder das Schreien und Wehklagen an.
    »Eine Tante in Neuweiler«, sagte Agnes.
    »Kennt Ihr einen Schlupfwinkel, durch den man die Stadt verlassen kann?«, fragte der Söldner weiter.
    »Wenn wir durch den Zwinger gehen, hinten, beim Salzstadel, da gibt es ein Nebentor, vielleicht kommt man da hinaus«, antwortete Elisabeth. Sie liefen durch die Gasse zum Salzstadel. Überall zerstochene Leiber, Sterbende, Verletzte, Blut und der Geruch nach Pulver, Urin und Kot. An einem Feuer saßen Soldaten und brieten ein Ferkel am Spieß.
    »He, wohin mit den Dirnen?«, rief einer den Musketier an.
    »Sie zeigen mir ein Versteck mit Geld«, antwortete der.
    Der Sprecher wollte sich erheben, fiel aber an seinen Platz zurück, weil er zu betrunken war. Elisabeth merkte, dass auch andere den Zwinger entlangliefen, vor allem Frauen und Kinder. Wenn es einen gerechten Gott gibt, dann soll er wenigstens die Frauen und Kinder entkommen lassen, dachte Elisabeth, während sie keuchend weiterlief. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie einen Soldaten, der einer Schwangeren den Säbel an die Kehle legte, damit sie ihm die Verstecke von Gold und Silber verriete. Dreh dich nicht um, rief Elisabeth sich selber zu, doch sie hielt einen Augenblick an, um Atem zu schöpfen, und drehte sich um. Der Söldner hatte die Frau zu Boden geworfen, lag über ihr und stieß in sie hinein. Die Feder an seinem Hut wippte, als sei das Ganze ein einziges großes Vergnügen. Sie erreichten den Salzstadel und die Stadtmauer. Jemand hatte eine Strickleiter darüber geworfen. Also gab es einen Ausweg aus dieser Hölle! Agnes begann, die Leiter hinaufzusteigen. Hinter ihnen drängten sich andere, die ebenfalls fliehen wollten. Elisabeth drückte dem Musketier die Hand, die sich warm um die ihre schloss.
    »Wie heißt Ihr?«, fragte sie noch.
    »Jakob.«
    »Ich heiße Elisabeth.«
    Ein letzter Blick, und schon musste Elisabeth die Strickleiter hinaufklettern.
    »Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder!«, rief der Musketier ihr nach.
    »Ich danke Euch für alles«, gab sie zurück. Sie war gleich auf der Mauerzinne. Im Schein der Feuer, die auf dem Platz brannten, bemerkte sie einen kleinen Farn, der aus der Mauer herauswuchs. Das war für sie wie ein Zeichen, dass es Hoffnung gab. Vom Zwinger her näherte sich eine Schar Söldner, die immer schneller wurden. Agnes wurde an einem Seil auf der anderen Seite herabgelassen, Elisabeth folgte. Jetzt hatten die kaiserlichen Söldner die Fliehenden erreicht. Du kannst ihnen nicht helfen, rief Elisabeth sich zu, schau, dass du deine Schwester und dich selber rettest! Vor ihnen lag der Weg, der in den Wald hinaufführte. Andere Gestalten liefen vor ihnen her. Das Gelände war hier so steil, dass Elisabeth tief Luft holen musste. Es ging durch Tannen und Gebüsch, Brombeersträucher und Moospolster hinauf, immer weiter hinauf, es roch faulig nach welkem Laub und Pilzen. Elisabeth schwitzte trotz der nebelfeuchten Kühle. Die Dornen verhakten sich in ihrem Mantel. Immer wieder zerriss die Wolkendecke, um einem blassen Mond Platz zu machen. Dadurch konnten sie wenigstens den Weg erkennen. Agnes folgte ihr dichtauf. Auf einem Fichtenstumpf setzten sie sich hin und hielten eine kurze Rast. Warum nur hatten sie nichts zum Essen
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